Gnade – Glaube – Freiheit

Gnade – Glaube – Freiheit
Was Luther von Juden hätte lernen können
02.07.2017 - 07:05
02.07.2017
Pfarrer Rainer Stuhlmann
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„Wie werden Menschen gerecht vor Gott?“ Wie werden Menschen so, dass sie Gott gefallen? Das war Luthers zentrale Frage. Und er antwortet kurz und knapp: allein aus Gnade – allein durch den Glauben – und das ist der Grund für die Freiheit der Menschen. Gnade – Glaube – Freiheit. Mit dieser Lehre steht und fällt die Kirche. Das war Luthers Überzeugung. Polemisch hat er sie vertreten. Gegen zwei Feindbilder. Gegen die herrschende Theologie seiner Zeit: antikatholisch und gegen das Judentum: antijüdisch.

 

Je länger ich mit Jüdinnen und Juden im Gespräch bin, desto deutlicher ist mir, dass Luther irrte, als er seine neue Lehre im Widerspruch zum Judentum entwickelte. Er hätte vieles davon auch von Juden seiner Zeit lernen können, wenn er nicht ihnen gegenüber so schrecklich verblendet gewesen wäre. Die Begriffe Luthers sind es nicht, die im Judentum eine große Rolle spielen, wohl aber das, was die christliche Theologie in diesen Begriffen zum Ausdruck bringen will.

 

Ich möchte von meinen Lernerfahrungen erzählen. Und ich möchte Jüdinnen und Juden zu Wort kommen lassen. Keine Figuren der Vergangenheit und nicht Menschen aus dem fernen Israel. Es sind Menschen aus der Nachbarschaft, die hier in Deutschland jüdisch leben.

 

 

Ich habe das Judentum als Religion der Freiheit kennen gelernt. Und nirgendwo wird die Freiheit so deutlich wie an der Weise, wie Juden Schabbat feiern. Ihr Fest der Freiheit. Jeden Freitagabend beginnt es mit einem festlichen Mahl und am Samstagabend wird es mit einem festlichen Akt beschlossen.

 

Jakob: Es hat ne große Feierlichkeit durch die Kerzen am Anfang. Man zündet die Schabbat-Kerzen an und spricht einen Schabbat-Segen und dann hat man gute Laune. Und am Ende gibt es auch Kerzen, die gelöscht werden. Havdala heißt das, Trennung. Nicht arbeiten müssen, ist ne große Freiheit.

 

Michael: Es ist eine Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Weil wir freie Menschen sind durch den Auszug aus Ägypten, sind wir frei, Gott zu dienen und einen Tag frei zu habe. Das ist der Schabbat. Das ist ein Zeichen der Freiheit, aber es ist nicht eine Freiheit, zu tun, was wir wollen, aber es ist eine Freiheit, zu tun, was mehr Sinn macht, als was wir normalerweise tun.

Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen und am siebten Tag, Schabbat, Samstag, hat er sich ausgeruht. Und wir tun das Gleiche, wir ruhen auch an dem Tag. Wir nehmen Gott als Beispiel für unser Tun und wir ruhen auch an diesem Tag.

 

Jakob: Das Interessante am Schabbat ist ja, er wirkt dadurch, dass man Sachen nicht tut, dann ist es eigentlich wunderbar.

 

Etwas nicht zu tun, obwohl es möglich wäre, das ist Freiheit. Das hört sich leicht an. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer das ist, in dieser Freiheit auch zu leben. Wenn jemand wie Meir Lehrer ist und auch zu Hause seinem Beruf nachgeht.

 

Meir: Also ich mache keine Arbeit am Schabbat, also ich korrigier keine Klausuren, ich plane keinen Unterricht. Es ist wirklich ein Tag für mich, wo ich keinen Wecker stelle. Ich stehe auf. Ich mache Sport, was auch immer.

Also am Abend mache ich immer mein Handy aus, normalerweise vor dem Gottesdienst, und dann es bleibt aus bis Havdala. Auch mein i-Pad und meine Computer, weil es einfach befreiend ist, einen Tag das nicht zu haben. Wenn ich mich mit Freunden treffe, dann ist es ganz altmodisch, dann sagen wir zwei, drei Tage im Voraus „Wir treffen uns um zwei“. Dann bin ich um zwei da, dann warte ich zehn, fünfzehn Minuten, und wenn sie nicht kommen, dann mache ich, was ich will, ich geh nach Hause, was auch immer. Ich habe keine nervige whatsapp, zu sagen „Aah, ich hab mich verspätet, ich bin in ner halben Stunde da“. Es ist einfach nur old school. Dann sitzt man da und macht es so wie damals.

 

Ich lerne aus der Weise, wie Juden Schabbat feiern, dass der Mensch nicht lebt, um zu arbeiten, sondern umgekehrt: er arbeitet, um zu leben. Das Leben ist Gottes Ziel mit uns Menschen. Die sechs Arbeitstage zielen auf den siebten, den Feiertag. „Unsere Werke machen uns nicht gerecht“, hat Luther das genannt. Nicht was der Mensch schafft, herstellt, produziert, macht sein Leben aus. Menschliches Leben hat Wert und Würde unabhängig von dem, was ein Mensch leistet. Jüdinnen und Juden wissen das nicht nur, sie feiern es alle sieben Tage. So wird dieses Wissen ein Teil von ihnen. Und dieses Wissen um die Balance von Arbeit und Feier geben sie an die nichtjüdische Welt weiter. Schabbat ist in meinen Augen die gelebte Rechtfertigungslehre.

 

 

Unser Tun macht uns nicht gerecht, sagt Luther, sondern unser Glauben.

 

Jakob: Also Glauben, wenn man mir mit dem Begriff kommt, ist das in erster Linie ein Ärgernis, weil ich’s für ein Missverständnis halte. Weil im Christentum Glauben so sehr wichtig genommen wird. „Sola fide, allein durch glauben“ usw., und „Rechtfertigung durch Glauben“ und „glauben, weil es absurd ist“. Wenn die Menschen das Falsche glauben, dann werden sie ausgeschlossen oder im Zweifel auch verbrannt. So wichtig nehmen wir den Glauben nicht.

 

Michael: Glaube ist ein komplizierter Begriff für Juden, glaub ich. Wir haben ein Glaubensbekenntnis, und das ist das Sch’ma Jisrael.“Sch'ma Jisrael adonaj eloheinu adonaij ächad. Höre, o Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig.“

 

Was Jakob und Michael so schwierig finden, ist auch für viele Christinnen und Christen ein Problem. Glauben – das erscheint im Christentum wie ein riesiges Paket, das kein Mensch schultern kann. Jungfrauengeburt, Auferstehung, Himmelfahrt. Das alles zu glauben, erscheint wie eine riesige Leistung, die auch gläubige Menschen kaum erbringen können. Demgegenüber erscheint das jüdische Glaubensbekenntnis heilsam konzentriert: „Unser Gott ist einer“. Aber für viele ist schon das eine Zumutung.

Schwierig ist es, wenn Glauben ein Nomen, ein Substantiv ist, wenn wir sagen „der Glaube“. Luther hat demgegenüber Glauben als Verb, als Tätigkeit verstanden. Oder genau genommen als Nichttätigkeit, als das sabbatliche Nichts-Tun. Es ist für ihn keine Leistung, sondern der Verzicht auf moralische und religiöse Leistungen. Wenn ich glaube, verzichte ich auf das, was ich eigentlich machen könnte. Ich überlasse es Gott. Ich lasse es Gott tun. Ich beschränke mich auf das „zulassen“, das „empfangen“. Das Wort dafür in der Bibel kann auch mit „vertrauen“ übersetzt werden.

 

Jakob: Klar ist mir der Vertrauensbegriff schon etwas näher als der Glaubensbegriff. Aber manchmal hab ich so was wie gar kein Vertrauen. Wenn Leute sterben, wenn das Leben sich gerade mal beschissen entwickelt, dann hab ich kein Vertrauen. Oder, weiß ich nicht, … dann ist der Bund mit Gott auch mal dessen, der mit Gott ringt und Kritik hat und das alles nur, nur unglaublich findet.

 

So macht Jakob seinem biblischen Namenspatron alle Ehre. Jakob in der Bibel hat auch nicht zu allem Ja und Amen gesagt. Er hat mit Gott gerungen. Er ist von Gott verletzt worden. Sein Glauben war nicht ungebrochen. Er hat Gott nicht ununterbrochen vertraut. Und von solchen Erfahrungen konnte auch Martin Luther erzählen. Sein Glauben war zeitlebens angefochten. Er kannte den Zweifel und die Verzweiflung. Genau so, wie Jakob es zum Ausdruck bringt.

 

Jakob: Das ist für mich ein wesentlicher Punkt. Meine Religion ist zum Teil auch ne Zumutung. Wir sagen in unserem Tischgebe „Ich bin alt geworden und habe nie einen Gerechten hungern sehen.“ Also einen Satz, den man nicht wirklich ernsthaft so meinen kann, aber der doch insofern eine Provokation ist, als es so sein sollte. Insofern finde ich, muss man ihn auch so aussprechen. Das ist eine Provokation für uns und das ist eine Zumutung für Gott. Und das ist ne Rechnung, wo man sagen muss „Wir haben gemeinsam unsere Hausaufgaben nicht gemacht“. Darum geht's ja auch. Und insofern ist das mit dem Vertrauen nicht immer da. Nein.

 

 

Ich versuche ins Gespräch mit meinen jüdischen Partnern das biblische Wort „Erwählung“ zu bringen. Gottes Gnade erfahren Menschen in der Bibel, weil sie sich von Gott erwählt wissen und das heißt unverdient geliebt.

 

Jakob: Ich kann mich überhaupt nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass ich irgendwie erwählt bin.

 

Michael: Wir wurden ausgewählt. Und das ist nicht immer gut. Es ist nicht immer schön. Es ist nicht immer vorteilhaft. Auf jeden Fall in der Bibel wird es immer gesagt, weil ihr ausgewählt seid, habt ihr eine Verantwortung, Dinge zu tun, die die anderen Völker nicht haben. Und daher ist es nicht immer schön, zu glauben, dass es eine Erwählung gegeben hat.

 

Und dann zitiert Michael aus dem Buch des Propheten Amos (9,7). Da sagt Gott:

 

Michael: „Habe ich nicht auch die Äthiopier ausgewählt? Habe ich auch nicht ein anderes Volk ausgewählt?“ Das heißt: Es sind nicht nur wir, die ausgewählt worden sind. Ich sage so: Jedes Volk wird ausgewählt, aber für einen anderen Zweck. Meine Sache ist, zu überlegen, wofür ich, oder wir ausgewählt worden sind.

 

Jakob: Für heute kann ich nicht wirklich behaupten, dass ich mich als Jude besonders auserwählt irgendwie fühle. Ich persönlich kann mit der Auserwählung eigentlich für heute so gar nichts anfangen.

 

Ich merke, wie der biblische Begriff der Erwählung durch den Antisemitismus vergiftet ist, der daraus geschlossen hat, Juden hielten sich allein für erwählt und darum für die besseren Menschen. Gegen diese antisemitische Verzerrung kommt die biblische Einsicht nicht mehr an, dass „erwählt sein“ vor allem bedeutet „unverdient geliebt sein“, wie sich ein Mensch von seiner oder seinem Liebsten erwählt fühlt. Aber dann nimmt das Gespräch doch noch eine unerwartete Wendung.

 

Jakob: Das mit dem „auserwählt“, das ging nämlich so: Vorher sind alle möglichen anderen Völker gefragt worden „Wollt ihr die Tora haben?“ „Nee, das sind so viele Regeln und so“. Da haben die Juden gesagt: „Was soll denn das kosten?“ „Ist umsonst.“ „Dann nehmen wir‘s.“

 

Ein jüdischer Witz. Selbstironisch entlarvt der jüdische Erzähler das antisemitische Klischee, Juden seien berechnend und geschäftstüchtig. Mein Lachen öffnet mir den Weg zu der Einsicht, dass es nicht typisch jüdisch, sondern ganz einfach menschlich ist, dass wir bei allem nach den Kosten fragen. Und Gottes Wahl befreit aus dem Zwang, das ganze Leben zu ökonomisieren. Das Beste gibt’s umsonst. Geschenktes Leben. Und Gottes Tora ist Weisung zum Leben. Gnade, die zur Freiheit führt.

 

 

Jakob: Für mich ist eigentlich das Hauptglück und der Hauptunterschied, dass wir keine Erbsünde haben. Meine Seele ist rein. Deine? …ist versaut. Wir beten in unserem jüdischen Morgengebet also quasi das Gegenteil der Erbsündenlehre. Es gibt im Christentum die Vorstellung, „den alten Adam ersäufen“, also qua Taufe die Sünde erst mal loswerden müssen. Und im Judentum gibt's im Morgengebet die Vorstellung „Die Seele, die du mir gegeben hast, ist rein.“ Das find ich wunderbar, dass ich ne Seele bekommen hab, nach jüdischer Vorstellung, die erst mal gut ist. Quasi im Judentum ist der Mensch gut und kann sich aber versündigen und kommt vom Weg ab und muss sich korrigieren. Und im Christentum ist er eigentlich erst mal schlecht.

 

Die Metapher „Den alten Adam ersäufen“ gebraucht Luther genau in der Weise, wie Jakob das jüdische Morgengebet gegen die christliche Erbsündenlehre ins Feld führt. Luther fordert, täglich den alten Adam zu ersäufen, weil er eben nicht ein für alle Mal in der Taufe ersäuft worden ist. Mit dem Wort „Gnade“ hat Jakob seine Schwierigkeiten, aber er beschreibt Gnade exakt in biblischer Perspektive: Die Seele, die Gutes und Böses tun kann, ist ein Geschenk. Ich habe sie empfangen. Und das ist Gnade. Das hat Luther wieder zur Geltung gebracht.

Noemi erzählt mir eher nebenbei, wie sehr sie der christliche Begriff „Gnade“ beeindruckt hat. Dabei war „Gnade“ auch für sie völlig christlich besetzt. Erst als sie hört, dass Luther mit Gnade das hebräische Wort „chäsäd“ übersetzt, horcht sie auf.

 

Noemi: Ich kannte natürlich den Begriff „chäsäd“ aus Israel. Er ist dort sehr verbreitet. Und man benutzt ihn halt oft. Und man kennt ihn auch aus der Schule, auch aus der Bibel. Aber all die Begriffe, die ich aus Israel kenne, in allen Zusammenhängen, die mir jetzt einfallen, beziehen sich eben auf handelnde Menschen und nicht auf Gott. Und dass chäsäd eine wichtige Eigenschaft Gottes ist, hab ich erst festgestellt, seitdem ich mich mit religiösen Dingen beschäftige und an Gottesdiensten teilnehme.

Da war chäsäd für mich so etwas wie ein „Gütiges sich Kümmern“... es hat mit „Zuwendung“ zu tun, mit „liebender Güte“. Und es kommt oft vor zusammen mit „rachamim“, also mit „Erbarmen“.

Und jetzt höre ich, dass es auch Gnade bedeuten kann, und Gnade ist natürlich viel mehr als das. Ich verstehe das jetzt als eine verzeihende Zuwendung Gottes trotz meines Fehlverhaltens. Und deswegen ist mir das so bedeutungsvoll. Diese Größe, mir entgegen zu kommen, dem Menschen, der sich immer wieder vergeht, liebend zu vergeben. Das ist einfach großartig.

Und wenn ich überlege, dann ist es genau das, worum wir beten an den Hohen Feiertagen. Wenn wir „Avinu malkeinu“ singen: „Avinu malkeinu choneinu wa’aneinu… ase imanu zedaka wachäsäd wehoschi’einu. Unser Vater, unser König, sei uns gnädig und erhöre uns… Und erweise uns Wohltat und Liebe und gib uns Versöhnung“. An Jom Kippur beten wir auch: „El rachum vechanun äräch apa'im werav chäsäd we'ämät... Das bedeutet: „Gott ist barmherzig und gnädig, nachsichtig, von unendlicher Gnade und Wahrheit.“ Wir beten für uns alle um Vergebung für unsere Verfehlungen und eir hoffen, dass uns das dann verziehen wird.

 

Wer auch nur ein Mal an den zehn Tagen zwischen dem jüdischen Neujahrsfest und dem Großen Versöhnungstag in die Synagoge geht und hört und sieht, mit welcher Hingabe und Inbrunst Jüdinnen und Juden das „Avinu Malkeinu“, das „Unser Vater, unser König“ singen, der wird keine Sekunde daran zweifeln, wie das Herzstück der lutherischen Reformation das Herzstück jüdischen Glaubens ist: Gottes Gnade, seine chäsäd hält die Welt zusammen.

 

 

Solus Christus“, Christus allein! Bei allen Gemeinsamkeiten im Vertrauen auf Gottes Gnade gibt es diesen für Luther zentralen Punkt, dem Jüdinnen und Juden entschieden widersprechen. Sie sagen ein kompromissloses Nein zum Bekenntnis der Christen, dass Jesus der Messias ist.

 

Noemi: Ich kann mir Gott überhaupt nicht in einem Körper vorstellen und natürlich auch nicht, dass er einen Sohn hat. Und dass er geteilt sein könnte, ist für mich – Entschuldigung – eine absurde Vorstellung. Das „Adonaj ächad – unser Gott ist einer“ ist der zentrale Ausdruck meines Glaubens. Und das ist auch das, was das „Sch'ma Jisrael“ für mich ausmacht, das Glaubensbekenntnis. Auch wenn „ächad“ mehr bedeutet als nur „einer“, es bedeutet auch noch „einzigartig“, und dass Gott die einzige Quelle von allem ist. Aber ächad ist zentral. Das ist für mich sehr wichtig, auch emotional sehr stark besetzt, und das kommt auch oft vor bei uns im Gottesdienst.

 

Früher dachte ich, was viele Christinnen und Christen heute noch denken, das ist das jüdische Defizit. Der Glaube an den Messias Jesus ist das, was ihnen fehlt. So denke ich heute nicht mehr. Ich habe das jüdische Nein zum Messias Jesus schätzen gelernt.

Mit ihrem Nein sind Juden Anwälte der noch nicht eingelösten Verheißungen Gottes und der unerlösten Welt, in der noch so viel auf sich warten lässt. So bewahren sie uns Christen davor, uns mit der Welt, wie sie ist, einfach abzufinden. Ihr Nein ist nicht ein Mangel, der etwa dadurch überwunden werden muss, dass wir sie missionieren und zu Christen machen. Das Nein ist ein Vorteil für uns (Römer 11,11-12).

Diese Sichtweise habe ich beim alten Paulus gelernt. Der hat in seinen jungen Jahren auch versucht, seine jüdische Familie und Freunde für den Glauben an den Messias Jesus zu gewinnen. Mit mäßigem Erfolg. Aber in seinem Alter ist er zu der Einsicht gekommen: Am Ende wird ganz Israel gerettet werden (Römer 11,26) ohne Mission. Am Ende wird Gottes Gnade triumphieren (11,32). Am Ende wird Gott sich seines Volkes selber annehmen(11,26). Gottes Gnade ist unteilbar. Aus ihr leben Juden und alle Völker und die ganze Schöpfung.

Solus Christus“ ist nicht eine Kampfformel gegen Juden und Muslime, sondern eine innerchristliche Unterscheidung. Christus – und nicht das Christentum. Der Unverfügbare wird triumphieren, nicht die christliche Lehre über ihn. Triumphieren wird der eine, der sich in seiner Gnade seiner ganzen Schöpfung erbarmen wird. Und bis dahin haben wir voneinander zu lernen, Christen, Juden, Muslime, Hindus, Atheisten…

 

Jakob: Klar, das müssen wir. Es ist nicht immer einfach, von anderen zu lernen. Aber das müssen wir, ja.

02.07.2017
Pfarrer Rainer Stuhlmann