„Laïcité“

Feiertag
„Laïcité“
Religiöses Leben in Frankreich
09.10.2016 - 07:05
04.07.2016
Andreas Meier

Sendung zum Nachhören

„So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“[1]

 

Mit dieser Feststellung traf Jesus eine wichtige Unterscheidung: Menschen sehen sich zwei Mächten gegenüber, der kaiserlichen – weltlichen – Macht und Gott. Nach dem Bericht der drei ersten Evangelien antwortete Jesus auf die Frage frommer Juden. Die wollten von ihm wissen: „Ist es recht, daß man dem Kaiser Steuern zahlt oder nicht?“ Sie selber, Pharisäer, werden unwillig Steuern an die römische Besatzungsmacht gezahlt haben.

Warum auch immer die Pharisäer Jesus fragten, Jesus‘ Antwort schlug ihnen das entweder- oder, Steuern zahlen oder nicht, aus der Hand. Jesus erwähnte – Gott. Die Pharisäer hatten nur den weltlichen Herrscher erwähnt. Dessen Machtbereich schränkt Jesus ein und warnt: Die Obrigkeit – heute: der Staat – hat nicht in den religiösen Bereich göttlicher Zuständigkeit einzugreifen. Gleichzeitig ein klares Nein gegen Bemühungen, einen religiösen Staat welcher Religion auch immer einzurichten.

 

„So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“

 

Seit Anfang des vierten Jahrhunderts Konstantin, ein siegreicher christlicher Heerführer, Kaiser des römischen Reiches war, entwickelte sich ungeplant eine christliche Lebens- und Gesellschaftsordnung für alle Untertanen. Im Laufe der Jahrhunderte verbanden sich Regierungen und Kirchen in Europa zu Machtapparaten – angeblich im Dienste Gottes.

Ein „protestantisches Lager“ brach im 16. Jahrhundert die geschlossene katholische Lebens- und Gesellschaftsordnung auf. In Frankreich bildete sich ein Nationalstaat. Dort fehlten den Protestanten, in Frankreich „Hugenotten“ genannt, unabhängige Länder und Städte als Stütze.[2] Das Ergebnis blutiger Hugenottenkriege war: Nach den Regeln der Erbfolge ist der siegreiche protestantische Heerführer, der Bourbone Heinrich IV, nächster französischer König. Aber für die Krönung mußte der Bourbone Katholik werden. „Paris ist eine Messe wert“, meinte Heinrich IV.[3]

1598 räumte er im Edikt von Nantes seinen protestantischen Untertanen Rechte ein – sehr begrenzt, das verrät die parteiische Wortwahl: Das Edikt nennt Katholiken „Anhänger der Religion“, Protestanten dagegen „Anhänger der angeblich reformierten Religion“[4], die in die katholische Religion heimkehren sollten. Für Franzosen gehört das Edikt trotz der ungleichen Behandlung der Konfessionen zum Schatz ihrer nationalen Güter.[5] Stolz erinnern sie an das Edikt ungeachtet seiner Einseitigkeit. Der Umgang mit konfessioneller Pluralität, die Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften ist Franzosen auch heute weithin fremd.[6]

 

Die Laïcité ist Enkelin einer Tradition der französischen Revolution. Viele der vergleichsweise wenigen Hugenotten, rund zwei Prozent der Franzosen, begrüßten 1789 die Entmachtung des religiös-weltlichen Herrschaftsapparats, um die Bevorzugung der Katholiken zu beenden. Revolutionäre Bekenntnisse zu Freiheit und Gleichheit klären indes nicht, wie die Gleichbehandlung der Angehörigen aller Religionsgemeinschaften im Alltag gesichert ist. Die revolutionäre Ansicht setzte sich durch, daß „die Religion“ schlechthin mit dem religiös-weltlichen Unterdrückungssystem zur ausgelöschten Vergangenheit des alten Frankreich gehört. Napoleon Bonaparte korrigierte revolutionäre Vorstöße, um ein Kaiserreich zu schaffen. Ein Vertrag mit dem Papst regelte endlich das Verhältnis des Staates zu Religionsgemeinschaften – erstmals erkannte Frankreich 1801 im „Concordat“ neben der römisch-katholischen Kirche die protestantischen und später auch das Judentum als sogenannte „Kirchen“ an. Das Parlament finanzierte die Geistlichen.

Die materiellen und moralischen Sicherheiten der Franzosen waren durch die Revolution zerstört. Nur religiöser Glaube könne eine soziale Bindung zwischen Bürgern schaffen, meinte Napoleon. Schutz und Ordnung der Kirchen seien also Aufgabe des Staates. „Unterricht in Moral und Religion“ wurde Pflichtfach in staatlichen Schulen. Geistliche, vor allem katholische, kontrollierten jeden Unterricht. Ihre Berichte über die Zuverlässigkeit der Lehrer entschieden über deren Karriere.

Darüber, über die Macht der Kleriker, empörten sich bald die Gründer der französischen Republik. Sie setzten an der Schule mit dem Aufbau vom kirchlich-religiösen Glauben unabhängiger sozialer Bindungen den revolutionären Kampf gegen den kirchlich-weltlichen Machtapparat fort. [7]Ab 1880 wurden Schule und Kirche getrennt. Eine gigantische republikanische Volkserziehungsaktion begann.

Für dieses neue republikanische Schulsystem wurde der Begriff „Laïcité“ eingeführt. Unter den republikanischen Bildungsreformern waren Protestanten, Anhänger einer Bildungsreligion. Vermutlich übernahmen diese den Begriff Laïcité aus einer Gemeindeordnung des frühen christlichen Gemeindeältesten Clemens.[8] Dieser nennt neben Geistlichen und Laien mit einem nur hier verwandten Ausdruck einen an religiöse „Laienweisungen“ gebundenen Menschen, laïkos anthropos im griechischen Original. Sollten die Lehrer in Frankreich gewiß nicht kirchlich, aber religiös an ihre Unterrichtsaufgabe gebunden werden? Das kann gut sein. Vielleicht ist es kein Zufall, daß die offizielle französische Literatur über die Laïcité diesen Einfluß der Protestanten und die protestantischen Gesetzentwürfe für ein Trennungsgesetz nicht erwähnt.

 

Am 9. Dezember 1905 beschloß eine Mehrheit im französischen Parlament das Gesetz zur Trennung von Kirchen und Staat. In leidenschaftlichem Streit hatten sich die Republikaner auf einen mehrheitsfähigen Kompromisskurs geeinigt. Es ist kein „republikanischer Pakt“, sondern ein Mehrheitsbeschluß. Nach Artikel 1…

 

„sichert die Republik die Freiheit des Gewissens. Sie garantiert die freie Ausübung des Kultes unter der einzigen Bedingung, daß dieser der öffentlichen Ordnung nicht widerspricht.“

 

Aus der gewährleisteten Freiheit des Gewissens zu folgern, daß Bürger sich in aller Freiheit und in der Öffentlichkeit an gottesdienstlichen Übungen innerhalb der öffentlichen Ordnung beteiligen dürfen, paßt zu jeder Demokratie, welche Staat und Kirche trennt. Entscheidend für Frankreich ist Artikel 2:

 

„Die Republik erkennt keinen religiösen Kult an, bezahlt und unterstützt keinen religiösen Kult.“

 

Diese revolutionäre Beseitigung jeder Verknüpfung von Staat und Kirche in Frankreich entscheidet für die meisten Franzosen. Sie sind der falschen Auffassung, die in Artikel 1 garantierte freie Ausübung des religiösen Glaubens sei auf den im Gesetz nicht genannten privaten Raum eingeschränkt. Das ist ein großes Mißverständnis. Diese Ideologie hat religiöse Kenntnisse aus der Allgemeinbildung verbannt.[9] Nach Meinung der jungen französischen Sozialwissenschaftlerin Valentine Zuber vertiefte das Laïcitégesetz in Frankreich den Streit über die Bedeutung der Religionen:

 

„Die Geschichte der Laicité ist eine Konfliktgeschichte. Seit der französischen Revolution ist sich die französische Gesellschaft über die Definition der Identität Frankreichs und die Bedeutung der Religion in der Gesellschaft uneins.“[10]

 

Valentine Zuber, eine ausgezeichnete Kennerin des Laïcitégesetzes und der Motive der Gesetzesväter, warnt: Laicité ist nicht schlicht Säkularisierung, die aus allen europäischen Gesellschaften bekannte Lockerung religiöser Riten:

 

„Laïcité ist eine politische Aktion.“[11]

 

Artikel 3 bis10 des Gesetzes klären den Umgang mit den verstaatlichten kirchlichen Immobilien. In sogenannte „Gottesdienstvereine“ verwandelte Kirchengemeinden können ihre Immobilie nur für gottesdienstliche Zwecke nutzen. Die lange Liste alltäglicher Probleme zeigt: Dadurch ist nichts geregelt. Wer trägt die Kosten für Schäden an kirchlichen Gebäuden, die von einer Jugendgruppe genutzt werden? Der Staat als Eigentümer oder die Jugendgruppe als Nutzer? Kompromisse schlichten viel, aber nicht jeden Streit.[12]

Der sozialistische Bürgermeister von Clichy-sous Bois bei Paris, Olivier Klein, klagte jüngst, das Trennungsgesetz verwickle Behörden in „Heuchelei“. In seiner Stadt warten seit zehn Jahren Muslime auf den Bau einer Moschee, welche die Stadt nicht finanzieren dürfe. Gleichzeitig muß die Stadt als Eigentümerin der vor 1905 errichteten Kirchen momentan Millionen Euro für die Renovierung einer Kirche zur Verfügung stellen[13]. Das Trennungsgesetz zwingt also die Stadt, in der Gebäudebewirtschaftung die alten, christlichen Religionsgemeinschaften gegenüber der neuen Gruppe der Muslime zu bevorzugen.

 

Ohne jede Abstimmung mit Religionsgemeinschaften formulierte die französische Republik 1905 das Gesetz zur Trennung von Kirchen und Staat. Es erwähnt den Begriff Laïcité gar nicht. Er ist bis heute nirgendwo verbindlich definiert, obwohl die Verfassung Frankreich „eine unteilbare, laizistische, demokratische und soziale Republik“ nennt. Da für Franzosen die inhaltlich vieldeutige Laïcité als Kennzeichen der Republik in den Schatz ihrer nationalen Güter aufgerückt ist, erübrigt sich offenbar eine Definition.

Das Trennungsgesetz verhindert in staatlichen Schulen den Religionsunterricht. Da kirchlich eingeübtes religiöses Wissen, mit dem die Gesetzesväter 1905 rechneten, wie in Deutschland abbröckelt, indes die kulturelle und politische Bedeutung der Religionen offenkundig ist, mußte etwas geschehen. 2002 entwickelte Régis Debray für den Erziehungsminister ein Konzept, an Schulen nicht etwa Religion, sondern „le fait religieux“ so zu unterrichten, daß keine Sympathie für Religionsgemeinschaften geweckt wird.[14] Daher ist undenkbar, Mitglieder einer Religionsgemeinschaft selbst in ein Schulgespräch über diese einzuladen. Wenn Lehrer oder Schüler ihr angehören, ist das ein Tabu. Ausgeschlossen bleibt als vermeintliche „religiöse Propaganda“, echte Neugier dafür zu wecken, sich unvoreingenommen mit einer Religion vertraut zu machen. Folgenlos bleibt die Mahnung des Conseil d’État, daß dies Missionsverbot dem internationalen Menschenrecht widerspricht, Religion zu haben und – nicht nur verborgen (!) – zu leben[15].

Schulen sind „republikanisches Heiligtum“ oder wörtlich: „Asyl“, in das gesellschaftliche Auseinandersetzungen nicht hineingetragen werden dürfen.[16] Ein Gesetz von 2004 wollte Schüler verpflichten, beim Betreten der Schule Kleidungsstücke abzulegen, die ihre religiöse Glaubensheimat anzeigen: Der Conseil d’Etat erzwang, das Verbot auf die Kleidungsstücke zu beschränken, welche die Glaubensheimat werbend/ „ostentatoire“ anzeigen. Laïcité überläßt also Staatsbehörden die religiöse Entscheidung, was für eine Glaubensgemeinschaft Missionsmittel ist. Ein christliches Kreuz, ein muslimischer Schleier oder eine jüdische Kippa? Im Schulasyl der Laicité haben solche als feindlich empfundene Fremdkörper nichts zu suchen. Vincent Peillon, 2012 Erziehungsminister, forderte, den Schülern am Schuleingang abzureißen, was sie an ihre Familie, ihre kulturelle und religiöse Herkunft, an ihre soziale Erfahrungswelt bindet[17].

Jeder weiß in Frankreich, daß Laïcité unterschiedlich verstanden wird. Engstirnig verbieten die einen, Weihnachtskrippen und Osterhasen im Rathaus als „religiöse Kult-Propaganda“ aufzubauen. Kompromissbereit pflegen andere dies als traditionelle „Kultur“.

 

Das Laïcitégesetz stammt aus einer Zeit, als republikanische Überzeugungen die französische Gesellschaft beherrschten. Nach der Beobachtung des Historikers Philippe Portier ändert sich die Laïcitéideologie wie die Gesellschaft.[18] Anfangs bekämpfte die Trennungslaïcité die katholische Übermacht durch Trennung staatlicher und religiöser Organisationen. Die Stimmung änderte sich. Seit 1960 erwarteten Eltern, daß der Staat auch religiöse Schulen finanziere – 1910 war das für Republikaner undenkbar. In dieser Anerkennungslaïcité kooperierten Staat und Religionsgemeinschaften vor allem in der Sozialarbeit. Erschreckt dadurch, daß muslimische Einwanderer ihren Glauben hervorkehren, versteht jetzt eine Sicherheitslaïcité Öffentlichkeit anders. Theater und Straßen gelten nicht wie anfangs zum privaten Lebensraum der Bürger, in dem sie sich frei äußern können. Die religiös inszenierten Terroranschläge in Frankreich werden als Angriffe auf die Laïcité verstanden. Laïcité wurde deshalb Teil der antiterroristischen Sicherheitspolitik.

Im Sommer behaupteten gut zehn Orte an der Côte d’Azur, daß es einen „allgemeinen Brauch“ der Strandbekleidung gibt. Gegen Laïcité verstoße, wer sich anders kleide. Polizisten zwangen Frauen, die den ihren Körper ganz bedeckenden Burkini trugen, ihn abzulegen oder den Strand zu verlassen. In programmatischer Unkenntnis religiöser Überzeugungen Kleidungsstücke als Beleg für die Einflußnahme religiöser Gruppierungen auf das bürgerliche Leben zu verbieten und den normierten Bürgerkörper zum Maß für alle zu machen, ist hilflos[19] und wirkt lächerlich. Der Conseil d’État setzte dem hysterischen Spektakel am 26. August ein Ende.

Der sozialistische Politiker Pierre Joxe, früher in verschiedenen Ministerämtern tätig, meinte schon 1998 im hessischen Rundfunk, zum hundertsten Jahrestag 2005 solle das Laïcitégesetz geändert werden:

 

„Wenn das Centenarium des Gesetzes zur Trennung von Staat und Kirche gefeiert wird, soll es nach meiner Meinung geändert werden. Denn es gibt vor, eine radikale Trennung zu installieren, während es in der sozialen Realität Kooperation gibt – wie in Deutschland“[20].

 

Pustekuchen: Das 2005 gefeierte Gesetz blieb unverändert. Nach wie vor verschließt die Laïcité prinzipiell den Zugang zu dem Teil der Wirklichkeit, den sie, die weltliche Laïcité „fait religieux“ nennt. So stellt das Institut français in Berlin zum Beispiel französische Zeitungen zur Verfügung. Aber: Die von der Tageszeitung „Le Monde“ verlegte Fachzeitschrift „Le monde des religions“ fehlt, so die Auskunft: „weil wir keine religiösen Zeitungen haben.“ Ist das nicht ebenso aberwitzig, wie in Burkinis Waffen gegen die französische Republik zu sehen?

Sicherheitslaïcité leiert Begriffe aus, stellt sie auf den Kopf. Für sie gibt es „islamistische Radikalisierung“ bei djihadistischen Terroristen wie bei Burkiniträgerinnen. Der christliche Humor des früheren Politikers Pierre Joxe schuf Klarheit. Ende August gab der 81jährige Joxe, Präsident der französischen Stiftung für den Protestantismus, bekannt: „Um unsere Großmütter zu ehren, die erstmals an Strände gingen in einem langen Badeanzug, um zweitens das Recht aller Frauen zu verteidigen, in einer Kleidung ihrer Wahl an den Strand zu gehen“, komme er nachmittags an den Strand in einer „Kleidung, die den guten Sitten und dem Laïcitégesetz entspricht und nur Kopf, Hände und Füße unbedeckt läßt – im Pyjama.“ Es gab kein schallendes Gelächter über Pierre Joxe im Pyjama. Er kam in Shorts, weil der Conseil an selben Tag das Kleidungsverbot aufhob.[21] Dank an Pierre Joxe! Sein Humor kann von einer Laïcitéideologie befreien, die Bürgerrechte wegen Handlungen einschränkt, die nur sie religiös nennt. Das ist und bleibt Einmischung in den Bereich göttlicher Zuständigkeit.

 

[1] Markus 12,17; Matthäus 22,21; Lukas 20,25.

[2] Die persönliche Umstellung von Christen, die sich den neuen reformierten / evangelischen Gemeinden anschließen, ist deshalb in Frankreich auffälliger als in Deutschland. Frank La Barbe: » L’espoir plus que la mémoire : une religion du changement personnel », S. 314-328, in « La nouvelle France protestante. Essor er recomposition au XXI siècle », Genéve 2011 zeigt, daß die persönlich-existentielle Umstellung in der Konversion die reformatorische Grundüberzeugung stabilisiert.

[3] Michael Wolfe: „The conversion of Henri IV: Politics, Power and religion. Belief in early modern France”, Cambridge, Massachusetts Harvard University Press 1993.

[4] « Religion prétendue reformée ».

[5] Obwohl nach Francis Garrissons 1950 erschienen Aufsatz : « Essai sur les commissions d’application de l’édit de Nantes », Montpellier 1964 S. 27, viele Historiker Zweifel am nationalen Geschichtsmythos Henri IV bestätigten, halten französische Politiker und Intellektuelle unverändert an ihm fest. Vergleiche Monika Sorel in nächster Endnote. Meine folgende These der Ungleichbehandlung der Religionen ergibt sich aus der Frage Janine Gar­risons: Diese fragt in « Henri IV », Paris 1984, S. 280: « Henry y-a-t’il pensé en signant ce protocole que celui-ci marginalise les huguenots au point que nul régime politique à venir ne pourra accepter leur éxistance ainsi hypertrophiée ? » Vgl. zum Edikt Bernard Cottret: « 1598. L‘Edit de Nantes », 1997.

[6] So übergeht 2016 der bekennende Atheist Michel Onfray in « Penser l’Islam », Paris 2016 die Gleichbehand­lung der Religionsgemeinschaften konsequent. S. 126f fordert er ein « financement républicaine » der muslimi­schen Imame, ohne auf die Besoldung der Geistlichen anderer Religionsgemeinschaften einzugehen.

Und Monika Sorel, in Frankreich geborene Tochter nordafrikanischer Immigranten, schlug 2015 mit dem Buch « Décomposition française. Comment en est-on arrivé lá? Temoignage de l‘Interieur » Alarm: Die Missachtung der Laicité führe zum Verfall Frankreichs. Dem „FigaroVox“ (» le figaro.fr «) am 09. 12. 2015 erläuterte die Autorin, damit sei nicht das Trennungsgesetz von 1905 gemeint: » L'essentiel, qui est resté gravé dans l'inconscient collectif des Français: trois décennies de guerre civile qui les ont opposés entre eux et ont abouti, le 30 avril 1598, à la signature de L'Édit de Nantes par Henri IV, qui l'évoquera comme ‹ établissement d'une bonne paix et tranquille repos ›. Que de larmes et de sang versés pour que le peuple français puisse vivre un jour son idéal de liberté, d'égalité et de fraternité! » Für Sorel ist die Ungleichbehandlung der Konfessionen unerheblich.

[7] Mittelpunkt, Herz des republikanischen Unterrichts, wurde das Pflichtfach „Moral und Bürgerkunde“. Die „Wissenschaft der Sitten“ als Alternative zur religiösen Moral konnte im Weltanschauungskampf als „ethischer Materialismus“ dem Materialismus des Marxismus zugeschlagen zu werden. Alfred Fouillée, « La Science des Moeurs. Rempla­ceratelle la morale? » schildert in « Revue des deux mondes », tome 29, LXXVe année S. 519-550 die Kon­fliktlage.

Ferdinand Buisson (1866–1932), der führende protestantische Bildungsreformer schreibt im « Dictionnaire de pédagogie et d’instruction primaire », Paris 1887, den er herausgab, S. 1473: Laïcité « ce mot est nouveau, et, quoique correctement formé, il n'est pas encore d'un usage général. Cependant le néologisme est nécessaire, aucun autre terme ne permettant d'exprimer sans périphrase la même idée dans son ampleur. »

[8] λαικος ανθρωπος, 1Clem 40,5.

[9] Als charakteristisches Beispiel für das um eingeschränkte Wissen ist das Grundsatzpapier „Laïcité als gesellschaftliche Aufgabe“. In ihm stellt Guylan Chevrier, ein im Netz aktiver Laïcité-Verfechter, fest: Religiöse Aussagen seien „religiöse Mythen“ Außerdem schlägt für ihn keine religiöse Schrift die „Gleichheit der Menschen“ vor. (Guylan Chevrier: « La Laicité: un enjeu de société » in « revue d’histoire critique » 90-91/2003, (https://chrhc.revues.org/1483, letztmaliger Aufruf am 03. 10. 2016) S. 19: « Est-il besoin de rappeler qu’aucune religion n’a jamais dans ses textes ou dans sa pratique proposée l’égalité entre les hommes, encore moins entre hommes et femmes. Au contraire la religion rend l’inégalité acceptable par l’idée qu’elle est une fatalité ayant pour contrepoids l’existence d’une vie après la mort. »)

[10] Zitiert ist Valentine Zuber aus dem Gespräch, das am Abend des 12. 06. 2016 in « FRANCE INTER » Nicolas DEMORAND in der Sendung « UN JOUR DANS LE MONDE : TOUR DU MONDE DE LA LAÏCITÉ » mit ihr führte. Sie sagte (4:15): « C’est une histoire parfaitement conflictuelle, parce-que dès la révolution française deux Frances – on parle du conflit de deux Frances –s’opposent sur la définition de l’identité française (…) Et donc ils n’ont pas la même compréhension du rôle de la religion dans l’espace publique, dans la société. » (Quelle: https://www.franceinter.fr/emissions/un-jour-dans-le-monde/un-jour-dans-le-monde-12-avril-2016, zuletzt aufgerufen 04. 10. 2016).

[11] Das sagte Valentine Zuber in der o.g. Sendung in „FRANCE INTER“: (5:42) « La sécularisation est un phénomène sociale, alors que la laïcisation est une pratique politique. »

[12] „L’Express“ 3372 vom 17. 02. 2016 schildert diesen Konflikt im Umgang mit dem Kloster Saint Michel unter der Überschrift „Croisades sur le Mont“. Die Abstimmung des Centre des monuments nationaux (CMN) als proprietaire et gestionnaire als staatlicher Einrichtung mit den Mönchen ist immer konfliktreich.

 „Le Monde“ verwies auf die Schwierigkeiten evangelikaler Gruppen, als neue Glaubensgemeinschaften Gottesdiensträume zu finden, am 18. 04. 2012: « Evangeliques: la difficile quête de lieux de culte ».

[13] « Des colloques pour y voir plus clair sur le fait religieux musulman » in « Le Monde» 19. 09. 2016 S. 11: « Le maire (PS) de Clichy-sous-Bois (Saint-Denis), Olivier Klein, a mis en cause une vraie hypocrisie sur ses questions.’ .. Dans sa ville, cela fait dix ans que les fidèles attendent la construction d’une mosquée qu’il n’a pas le droit der financer, alors qu’il a inscrit au budget cette année ‹ plusieurs millions d’euros pour rénover l’église, proprieté de la commune. › »

[14] Der 35-seitige rapport Regis Debrays « L’enseigement du fait religieux dans l’Ecole laïque » vom Februar 2002 findet sich unter : http://www.education.gouv.fr/cid2025/l-enseignement-du-fait-religieux-dans-l-ecole-laique.html (letztmaliger Aufruf 04. 10. 2016)

[15] Zum Beispiel berichtete « AFP/Le Monde.fr » am 01. 03. 2016 im Netz über « Un rapport du Conseil de l’Europe déplore la « banalisation » du racisme en France“.

[16] Minister Peillon verlangte am 07. 01. 2013 sur RTL qu'il ne fallait « pas importer dans l'école des débats qui doi­vent avoir lieu dans la société », berichtete „L’Express” 07. 01. 2013 : « Peillon et l’église catholique : Une question plus politique qu’éducative ».

[17] Peillons amtliche Mitteilung lautete « arracher l’élève à tous les déterminismes, familial, ethnique, social… », zitiert in „Le Figaro“ am 03. 09. 2012 in « Moral laïque, laquelle? »

[18] Die hier referierten Beobachtungen trug Philippe Portier am Sonntag, den 17. Januar 2016 innerhalb der Vortragsreihe « LAÏCITÉ, LAÏCITÉs: les acquis, les malentendus les attentes » in der reformierten Gemeinde Robinson der Église protestante unie de France in F-92290-Chatenay-Malabry unter dem Titel « Les Mutations de la LaÏcité française » vor.

[19] Für den Geschichtslehrer Guylan Chevrier erklären Frauen, indem sie den Burkini anziehen, den „ideologi­schen Krieg gegen die französische Republik.“ Frankreich, so tröstet er sich, werde diesen Kampf gewinnen, weil es „das einzige Land ist, das den Staat eindeutig vor religiöser Vormundschaft schützt.“(« Burkini : La laïcité, véritable combat révolutionnaire de notre temps ! » par Guylain Chevrier http://www.agoravox.fr/actualites/societe/article/burkini-la-laicite-veritable-183893, letztmals aufgerufen am 03. 10. 2016)

[20] Das ist die übersetzte Feststellung von Pierre Joxe im Abendstudio des HR vom 27. 11. 1998: „Frankreich zwischen Vergessen und Vergessen. Das Edikt von Nantes 1598 und die französische Nation“

[21] MEDIAPART veröffentlichte diese Mitteilung Pierre Joxes am 26. 08. 2016: (https://blogs.mediapart.fr/edition/les-invites-de-mediapart/article/260816/baignade-surveillee-par-pierre-joxe, letztmals aufgerufen am 06. 10. 2016) « Pour rendre un hommage affectueux et respectueux à nos grands mères qui – il y a un siècle – inaugurèrent les ‹ bains de mer › au Touquet-Paris-Plage comme à Nice, avec des ‹ costumes de bain › qui furent longtemps d’assez longues robes;

Pour affirmer le droit des femmes à porter les vêtements de leur choix – y compris sur les plages ;

Je me préparais à aller nager cet après midi dans la tenue vestimentaire de mon choix, correspondant à l’idée que l’on avait naguère des bonnes mœurs dans la France laïque et républicaine, au début du siècle, au lendemain de la loi de séparation des églises et de l’Etat.

J’avais choisi bien sûr un costume couvrant entièrement mon corps depuis les chevilles jusqu’aux poignets et ne laissant apparaître que ma tête (couverte cependant d’un bonnet de bain) mais aussi mes pieds et mes mains, appareils natatoires indispensables dans les circonstances de l’espèce… Un pyjama allait faire l’affaire.

Mais heureusement, à l’heure de la marée haute, vers 15 heures, j’ai appris la décision du Conseil d’Etat, saisi en appel contre l’arrêté d’un Maire. » (letzter Aufruf 05. 10. 2016)

04.07.2016
Andreas Meier