Almosen

Gemeinfrei via unsplash / Vitaly Taranov

Almosen
Gedanken zur Woche von Pfarrer Eberhard Hadem
14.10.2022 - 06:35
29.07.2022
Eberhard Hadem
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

Mehr Informationen zur Aktion #WÄRMEWINTER finden Sie hier:  www.ekd.de/waermewinter

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Energiepauschale, Gaspreisbremse, Gasdeckel, Härtefallfond – eine Menge neue Worte waren das in der letzten Zeit. Gerade wurde die Energiepauschale von 300 Euro per Lohnauszahlung auf das Konto jedes einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen überwiesen – auch an die, die das Geld gar nicht nötig haben. In dieser Woche hat die von der Regierung eingesetzte ‚Unabhängige Kommission Erdgas und Wärme‘ weitere Vorschläge für Entlastungen gemacht, mit der Gießkanne. Zusätzliche Maßnahmen sollen helfen, vor allem die Schwächsten zu entlasten.

Europäische Nachbarn kritisieren Deutschland für einen Schutzschirm im Alleingang. Und sicher gibt es Korrekturbedarf. Aber ich bin auch dankbar, dass Deutschland seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren nicht den Krisenweg vieler anderer Staaten gegangen ist. Zwei Drittel von insgesamt 161 Staaten in der Welt haben viel im Bildungssektor gespart, die Hälfte haben Sozialausgaben gekürzt oder weniger für Gesundheit ausgegeben. Deutschland dagegen nicht: Bei allen Maßnahmen gegen Ungleichheit steht Deutschland auf dem zweiten Platz, nur Norwegen investiert noch mehr, auf dem dritten Platz folgt Australien. (1)

Trotzdem gibt es wohl Mängel. Die Kommission selbst sieht die Schwächen, eine Folge der kurzfristigen Planung unter Druck. Entlastung bekommen, ohne sie nötig zu haben – da ist die Gießkanne wenig ausgeglichen. Aber herausfinden, wer sie nicht braucht, dieser Aufwand ist auch wieder unwirtschaftlich. Und: die Kostenübernahme eines ganzen Monatsabschlags für das Gas im Dezember kann auch einen trügerischen Effekt haben. Sparen muss man trotzdem, für viele kommt das dicke Ende erst mit der Nebenkostenabrechnung, nächstes Jahr. Und für das Klima ist es ohnehin notwendig, auf fossile Brennstoffe so gut es geht zu verzichten.

Mag sein, dass Kommission und Regierung noch einiges nachbessern müssen. Aber statt nur zu kritisieren könnte ich mich auch selber fragen: ‚Wie kann der Zuschuss, den ich nicht brauche, zu Menschen kommen, die ihn brauchen?‘ Von einem Nachbarn weiß ich, dass er das Geld brauchen könnte – es aber aus Scham ablehnen würde, wenn ich ihn frage oder es ihm in die Hand drücke. Vielleicht lege ich ihm die 300 Euro einfach in einen Umschlag und in seinen Briefkasten. Und schreibe – ohne meinen Namen zu nennen – dazu: ‚Ich brauche die Pauschale nicht – Sie vielleicht schon. Und wenn Sie sie nicht benötigen, dann geben Sie sie bitte weiter.‘

Bei der Solidarität ist das der eine Teil: Wer etwas braucht, darf Hilfe annehmen, ohne sich zu schämen. Und der andere Teil ist: Der oder die, die etwas nicht brauchen, finden einen Weg, es zu teilen, es jemand anderem zu geben. Das wäre die Wiederbelebung einer alten Kulturtradition: Almosen geben, von mir aus. Unser Staat lebt auch von Voraussetzungen, die er selbst nicht herstellen kann. Solidarität gehört dazu. Die Gerechtigkeit, die der Staat herstellen muss, reicht nicht. Dafür gebe ich, was ich kann und geben will. Weil Almosengeben etwas Ehrenvolles sind, ein Stück Kulturgut. Ein Fehler zu denken, das wäre in Deutschland nicht mehr nötig.

Jesus sagt in der Bergpredigt kurz und knapp: Gebt Almosen. Macht euch einen Schatz im Himmel (Luk. 12,33). Ich füge hinzu: Statt komplizierte irdische Steuerberechnungen zu fordern. Ich könnte auch eine Spende an soziale Einrichtungen geben, die wegen der hohen Energiepreise ihre Stromrechnungen kaum bezahlen können, aber für die Schwächsten der Gesellschaft da sind. Und die brauchen gerade jetzt jede Unterstützung.

Die Evangelische Kirche in Deutschland und die Diakonie laden unter #WÄRMEWINTER ein, sich solche oder andere Wege auszudenken. Und die helfen auch gegen die soziale Kälte, die sich breitmacht, wenn jeder nur an sich selber denkt.

Schreiben Sie Ihre Ideen und diskutieren Sie mit, bei Facebook unter „Evangelisch im Deutschlandradio“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literatur dieser Sendung:

(1) Meldung in der epd-Zentralausgabe Nr. 196 vom 11.10.2022, Seite 26: Staaten weltweit kürzen Ausgaben für Gesundheit, Soziales und Bildung

Mehr Informationen zur Aktion #WÄRMEWINTER finden Sie hier:  www.ekd.de/waermewinter

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29.07.2022
Eberhard Hadem