Die Reichen reicher und die Armen ärmer – das wird nicht so bleiben

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via unsplash.com (Toby Wong)

Die Reichen reicher und die Armen ärmer – das wird nicht so bleiben
Jesu Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus
17.11.2017 - 06:35
16.11.2017
Pfarrerin Heidrun Dörken
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Sendung zum Nachlesen

Jesus erzählt im Lukasevangelium (1) eine märchenhafte Geschichte, doch ohne Happyend. Er erzählt vom armen Lazarus, der bei einem Reichen vor der Tür liegt und versucht, ein paar seiner Abfälle zu bekommen. Die beiden leben also nebeneinander, aber sie begegnen sich nicht. Der reiche Mann lebt herrlich und in Freuden, der arme Lazarus ist obdachlos und krank. Dann sterben beide. Doch auch jetzt treffen sie sich nicht, denn nun kehrt sich ihre Lage um: Der Reiche kommt in die Hölle und leidet. Er sieht Lazarus nur von ferne, denn der wurde von Engeln in Abrahams Schoss getragen.

 

Das ist nur der erste Teil der Geschichte, die Jesus erzählt, und schon jetzt drängt sich mir die Geschichte unbequem auf, wenn ich sie lese als biblischen Kommentar zu aktuellen Meldungen dieser Woche. Sie lauten: Die Reichen in Deutschland werden immer reicher, die Zahl der Armen wird größer, derjenigen Menschen ohne jegliche Reserven bis hin zu denen, die kein Obdach haben. (2)

 

Jesu Geschichte nennt die Unterschiede zwischen arm und reich beim Namen. Sie fragt nicht nach den Gründen, sie stellt gut biblisch fest: Viel davon ist schreiend ungerecht. Zugleich spricht sie von Trost für die Armen. Für die Ohren mancher Betroffener eher von Vertröstung, da die Geborgenheit für Lazarus ja erst nach dem Tod beginnt. So oder so: Die Geschichte hält die Hoffnung wach: Es gibt eine ausgleichende Gerechtigkeit. Am Ende bleibt der Arme nicht in der Gosse, der Reiche ist nicht fein raus. Schon das ist ein Schatz, dass die biblische Tradition darauf besteht: Es bleibt nicht, wie es ist. Wunden werden geheilt. Gott gibt denen Wohnung, die nichts haben.

 

Jesus erzählt die Geschichte weiter: Der Reiche bittet Abraham, er soll ihm doch Lazarus schicken, damit der ihm seine Leiden lindert. Oder ihn doch wenigstens zu seinen noch lebenden Brüdern zu schicken, damit Lazarus sie warnt. Abraham schlägt beide Bitten hart ab. Lazarus soll da bleiben, wo er getröstet ist. Die Geschichte sagt also auch: Man kann nicht alles nachholen oder wieder gut machen. Sie hat nicht für beide ein Happyend. Sie ist deshalb keine Geschichte zum Wohlfühlen. Sondern wirkt bedrohlich, auch auf mich. Weil ich selbst eher auf die Seite des Reichen gehöre. Auch ohne Saus und Braus.

 

Doch Jesus endet nicht mit einer Drohung. Sondern mit einem Auftrag: Hört auf Mose und die Propheten. Was sie sagen, hat einer der Propheten namens Micha so zusammengefasst: Haltet euch an Gottes Wort. Tut, was Recht ist und übt Liebe. Jetzt. Auf der Erde.

Es schreit zum Himmel, wenn reich und arm immer noch weiter auseinander klaffen. Ich finde Initiativen großartig, die sich etwas einfallen lassen, damit Leute ein Dach über dem Kopf finden. Hier in Frankfurt am Main heißt eine sogar Lazarus. Aber das Problem ist ja größer: Es gibt auch für Durchschnittsverdiener zu wenig bezahlbare Wohnungen. Das ist vor allem Aufgabe der Politik. Auch bei den Jamaika-Gesprächen gehört das Thema „Öffentlich geförderter Wohnraum“ auf die Tagesordnung. Darüber hinaus sehe ich, was Einzelne tun: Ältere Nachbarn nehmen Studenten in ihre inzwischen zu großen Wohnungen auf, für wenig Miete, aber Hilfeleistungen im Alltag. Dorfgemeinschaften bieten Anreize, damit Familien leerstehende Häuser mit Eigenleistungen renovieren. Architekten entwickeln Phantasie, preiswert und platzsparend zu bauen. Da sehen die, die etwas haben, die, die etwas brauchen. Lazarus soll nicht erst in der Ewigkeit getröstet werden, für ihn kann man jetzt schon etwas tun: Liebe üben und tun, was Recht ist.

 

 

Wenn Sie darüber mit mir sprechen wollen, können Sie mich anrufen. Bis 8.00 Uhr erreichen Sie mich unter 030 und dann: 325 321 344.

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(1) Lukas 16,19-29

(2) FAZ 15. November 2017 „Die Reichen werden immer reicher“ S. 25

 

Weitere Infos

16.11.2017
Pfarrerin Heidrun Dörken