Gedanken zur Woche 14. 08.

Gedanken zur Woche 14. 08.
14.08.2015 - 06:35
18.06.2015
Pfarrerin Angelika Obert

„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes,/ und die Feste verkündigt seiner Hände Werk.

Er hat der Sonne ein Zelt am Himmel gemacht;/ sie geht heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer/ und freut sich wie ein Held, zu laufen ihre Bahn./ Sie geht auf an einem Ende des Himmels/und läuft um bis an sein Ende/ und nichts bleibt vor ihrer Glut verborgen.“ (Psalm 19, 2, 5b-7)

 

So staunt und jubelt der 19. Psalm in der Bibel. Ich stelle mir vor, diese Verse sind an einem Morgen entstanden, als die Luft noch frisch war, aber die kommende Mittagsglut des Orients sich schon ankündigte. Und sie wurden gesungen von Menschen, die Erfahrung hatten mit der Gewalt der Sonne: Sie ist der Held, der von Gottes Macht zeugt. Wie klein sind die Menschen dagegen!  Aber immerhin – diese Menschen konnten damals mitten in der Hitze noch dichten. Man bedenke nur: Die ganze Heilige Schrift ist unter südlicher Sonne entstanden.

 

Da kann ich als Berlinerin nicht mithalten. Klebt mir in diesen heißen Augusttagen doch der Kuli in der Hand und die Gedanken wollen sich nicht ordnen. „O, diese Hitze!“ Alle Welt stöhnt. Die Hitze macht zu schaffen. Dem Kreislauf, dem Kopf, den Gliedern. Unweigerlich verändert sich das Lebensgefühl. Die Schritte werden langsamer. Nach dem Bus werde ich nicht rennen. Ich komme zu spät – na und? Im Café bleibe ich sitzen und döse vor mich hin, es stört mich nicht, wenn die Kellnerin auf sich warten lässt. Es ist viel zu heiß, um sich aufzuregen. Hatte ich nicht irgendwelche Sorgen? Jetzt ist es zu heiß, daran zu denken. Wollte ich nicht noch jemanden anrufen? Nicht heute. Der To-Do-Zettel interessiert mich auch nicht mehr.

 

Auf eine Art mag ich dieses Sommergefühl, das die innere Unruhe mal so ganz ausbremst. Andererseits: Mein deutsches Gemüt ist darauf nicht eingestellt. Es wehrt sich gegen die Macht der Sonne. Es will immer noch denken, sorgen, schaffen. Und dann ist sie natürlich sehr lästig, diese Hitze.

 

Vor ein paar Tagen, als ich auf heißem Pflaster einen längeren Weg zu gehen hatte, habe ich mich erinnert: Da gibt es doch diesen Romanhelden, dem alles gleich ist unter der brütenden Sonne Algiers und der dann in der Mittagshitze sogar einen Schuß abgibt – vielmehr ist es die Sonne, die ihn den Schuss abgeben lässt. Das ist „Der Fremde“ von Albert Camus. Plötzlich konnte ich ihn besser verstehen. Und dann habe ich zu Hause noch einmal nachgeguckt, wie diese Erzählung endet:  mit einem Bekenntnis zur – so wörtlich - „zärtlichen Gleichgültigkeit der Welt“. Ich habe gelesen, dass Camus die Deutschen „maßlos“ fand in ihrer Haltung, aber die Pariser auch. Er, der in Algier aufgewachsen war, erklärte: Die nördlichen Menschen hätten eben keine Ahnung von dem Maß, das die Sonne setzt. Camus hat den Geist der Mittelmeerländer ein wenig verherrlicht: Da verstünde man es, gut zu leben und gut zu sterben. Einfach zu sein. Unaufgeregter eben. Ob das so stimmt, darüber kann man wohl streiten. Wahr ist allerdings, dass auch wir Deutschen uns oft nach der südlichen Lebensart gesehnt haben: nach mehr Leichtigkeit, mehr Lässigkeit, mehr „einfachem Dasein“ unter der Sonne.

 

Und nun haben wir das mitten in Berlin. Schwitzen vor uns hin und werden lässig, während die Griechen, so sagen es die Nachrichten, fleißig an ihrem Sparprogramm bosseln. Da sieht man mal, wie wir allmählich doch zusammenkommen, als Nord- und Südländer. Schön wär's ja.

 

Jedenfalls frage ich mich, ob diese heißen Sommertage in Deutschland uns nicht zeigen, dass es wirklich auch anders geht als immer nur schnell und besorgt und aufgeregt durch's Leben zu rennen. Ob wir uns und unsere Geschäfte in kühleren Zeiten nicht einfach viel zu wichtig nehmen. Und zu wenig von den Himmeln wissen, die von der Ehre Gottes erzählen. Vom Maß, das die Sonne setzt. Was meinen Sie? Sie können mich bis 8 Uhr am Telefon erreichen – unter der Berliner Nummer 030/32 53 21 344 – ich wiederhole 030 für Berlin und dann 32 53 21 344.  Oder Sie melden sich auf Facebook unter deutschlandradio.evangelisch.

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18.06.2015
Pfarrerin Angelika Obert