Gedanken zur Woche 25. 08.

Gedanken zur Woche 25. 08.
25.08.2017 - 06:35
17.08.2017
Pfarrerin Silke Niemeyer

Erntedank fällt dieses Jahr aus. Die Bauern klagen über eine überaus schlechte Ernte, einige Verbände sprechen von einem Katastrophenjahr. Frost in der Apfelblüte, Trockenheit im Frühjahr, Nässe im Sommer. Getreidepreise im Keller, aber kaum Kartoffeln.

Erntedank fällt natürlich nicht aus. Weil der Tag am 1. Oktober im Kalender steht. Weil er in ländlichen Gegenden wie der meinen mit festem Brauchtum verwachsen ist. Und weil er neben Heiligabend zum Gottesdienstliebling geworden ist.

Gott zu danken ist leicht – selbst wenn man nicht mehr recht an ihn glaubt. Man drückt schon mal das skeptische Auge zu, wenn auf dem Altar die leuchtenden Früchte prangen. Schwerer als Gott zu danken ist es, denen zu danken, die die Lebensmittel produziert haben, den Bauern. Denen würden manche lieber auf die Finger klopfen statt ihnen die schwielige Landarbeiterhand zu drücken. Das gewachsene ökologische Bewusstsein ist großartig, aber es hat eine Kehrseite: Bauern ernten mehr Prügel als Dank.

Das ewige Schimpfen auf die Bauern macht sie krank. Wenn man die Stichworte „Bauer“ und „Mobbing“ googelt, findet man eine Reihe von Berichten über Kinder von Landwirten, die es in der Schule nicht mehr aushalten. „Tierquäler“ und „Umweltzerstörer“ beschimpfen die Mitschüler sie. Und wenn die Ernte schlecht ausfällt, geht es oft nicht ohne Schadenfreude für sie ab.  wer zerstört denn das Klima mit Massentierhaltung? Wer verseucht denn die Böden mit Pestiziden und Überdüngung?

In der Bibel gibt es einen Brauch: Fünf Tage vor Beginn des Sukkotfestes, des alttestamentlichen Erntedanks, wird ein Ziegenbock ausgewählt, dem rituell die Sünden des Volkes auf den Rücken geladen werden. Dieser Bock wird in die Wüste gejagt. Mir scheint, in unserer säkularen Zeit haben die Bauern teilweise die Funktion des Sündenbocks übernommen.

Keine Frage, es ist gut, dass wir empfindlicher gegen Umweltsünden und Raubbau an der Schöpfung geworden sind. Das Wort „Schöpfung“ ist ein Widerwort gegen das Wort „Standort“, an das wir uns so fatal gewöhnt haben. Die Betriebe sind Standorte, die Städte Standorte, die Bauernhöfe Standorte. Ich will aber nicht in einer Welt leben, in der es nur noch Standorte gibt, in der die Menschen jedoch immer heimatloser und flüchtiger werden. Ein Acker ist kein Standort. Er ist lebendige Erde mit lebendigen Pflanzen, die bebaut und bewahrt werden muss. Ein Bauernhof ist kein Standort. Ein Bauernhof ist ein Zuhause für Menschen und Tiere. Das ist kein romantisches Programm, überhaupt nicht; es ist ein humanes. Ökologie und Ökonomie tragen beide das griechische Wort „oikos“, „Haus“ in sich. In ihnen steckt also die Vorstellung, dass die Erde ein großes Haus ist, in dem alle miteinander leben, und keine Addition von Standorten zum Geldmachen. Gott hat die Erde gegründet. Er hat sie nicht als Wüste geschaffen, er hat sie zum Wohnen gemacht, sagt die Bibel (Jes 45,18).

Ökologisches Bewusstsein ist gut. Aber ein ökologisches Bewusstsein, das die eine Hand zum Griff nach der Biomöhre im Regal lenkt und die andere zum Fingerzeigen auf die Bauern, taugt nicht viel. Viel mehr taugt es zu verstehen, unter welchem Druck sie stehen in einer Wirtschaft, die vor allem auf Kostensenkung und Gewinnvermehrung ausgerichtet ist. Das macht die Kritik an Umweltzerstörung nicht kleiner, sondern komplizierter – und breiter, denn daran etwas zu ändern, geht alle an.

Den Bauern sei Dank für ihre Arbeit. Der allererste und allerletzte Sinn allen Säens und Erntens ist, dass alle ihr Brot haben. Und genau dieser Sinn ist es, warum viele Landwirte trotz Schwierigkeiten und Zukunftssorgen diese schwere Arbeit mit Leidenschaft tun.

Darum vor aller Kritik an den Problemen der Landwirtschaft: Danke, liebe Bauern, dass Sie auch nach der schlechten Ernte wieder an die Arbeit gehen bei Hitze, Wind und Regen und am Wochenende, von früh am Morgen bis manchmal in die Nacht hinein.

Wenn Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, mit mir sprechen wollen, dann können Sie mich bis 8 Uhr erreichen unter: 030 - 325 321 344. Ich wiederhole: 030 - 325 321 344. Oder diskutieren Sie mit, auf Facebook unter ‚deutschlandradio.evangelisch‘.

Weitere Infos

17.08.2017
Pfarrerin Silke Niemeyer