Geduld braucht Hoffnung

FFP2-Maske, die an der Türklinke hängt

Gemeinfrei via unsplash/ Silke

Geduld braucht Hoffnung
Wenn die Coronapandemie einmal vorbei sein wird...
05.02.2021 - 06:35
04.02.2021
Thomas Dörken-Kucharz
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Sendung zum Nachlesen:

Diese Woche erhielt ich Post von der Bundesregierung. Ich glaube, es war das erste Mal in meinem Leben, dass sie mir direkt – na ja, nicht ganz direkt, sondern über meine Krankenkasse - einen Brief geschrieben hat. Darin ein Anschreiben und zwei Gutscheine. Das Anschreiben machte mir schwarz auf weiß deutlich, dass ich altersbedingt inzwischen auch zur Gruppe mit erhöhtem Risikoverlauf zähle. Und die Gutscheine im Brief sind Berechtigungsscheine „für jeweils 6 Schutzmasken mit hoher Schutzwirkung“. Die kann ich in einer Apotheke abholen, 2 Euro Eigenbeteiligung.

Mein erster Gedanke war: Diese Berechtigungsscheine schaffen es in die Geschichtsbücher! Und vor meinem inneren Auge sehe ich die Enkelin oder den Urenkel dereinst in der Schulbank ihr Geschichtsbuch aufschlagen. Und dort ist zur dann längst vergangenen Coronapandemie ein Berechtigungsschein für 6 Schutzmasken abgebildet, mit dem Bundesadler als Wasserzeichen. Und ich höre mein Enkelkind zu seiner Tischnachbarin raunen: Mensch, schau mal, wie schlimm Corona gewesen sein muss. Da gab es sogar extra Bezugsscheine für Masken. Ich stelle mir vor, es wird ein bisschen so sein, wie ich selbst in der Schule im Geschichtsbuch auf die Lebensmittelmarken geschaut habe, mit denen meine Eltern und Großeltern den Krieg und die Nachkriegszeit überlebt haben.

Damit will ich nicht die jetzige Situation dramatisieren. Im Gegenteil. Das Gedankenspiel lässt mich ruhiger werden. Denn in zehn oder fünfzehn Jahren wird man rückschauend sagen: Diese Pandemie war eine riesige weltweite Krise. Und es ist unglaublich schnell gelungen, Impfstoffe und Strategien zu entwickeln, um dem Virus zu begegnen. Leider sind wir da noch nicht. Momentan ist es so, dass eben noch Maskenbezugsscheine verteilt werden und die Impftermine auf sich warten lassen. Das fällt schwer. Und Corona dauert auch schon viel zu lang. Wann ist es endlich vorbei? Im Blick auf die politischen Diskussionen um die Impfstoffe scheinen die Nerven blank zu liegen. Wer vor wenigen Wochen noch ein Held war, ist jetzt der Buhmann oder die Buhfrau, weil es nicht schnell genug geht mit der Impfung, weil es Länder gibt, in denen es viel schneller geht, weil, weil, weil…

Mein Tübinger Lehrer, der demnächst 95-jährige Jürgen Moltmann, schrieb über seine Zeit in der englischen Gefangenschaft: „Wenn die Freiheit naht, beginnen die Ketten zu schmerzen.“ Ja, es werden schmerzliche Fehler gemacht. Ja, es geht nicht schnell genug. Ich hätte von der Bundesregierung statt zwei Maskenberechtigungsscheinen auch lieber zwei Impftermine bekommen. Aber so weit ist es noch nicht. Es dauert eben noch. Und außerdem: Es wird doch viel mehr richtig gemacht als falsch. Wir sind jetzt Anfang Februar deshalb auch schon viel weiter als noch im November und Dezember. Und die Impfung kommt. Was wir brauchen, ist mehr von der Geduld, die schon so strapaziert ist.

Ja, es gibt Länder, die schneller sind. Aber wenn man da genauer hinschaut, nehmen sie es mit dem Datenschutz auch nicht so genau. Da sind die Menschen alle zentral erfasst und Privates ist weniger privat – sei es in Israel oder in Dänemark. Der Preis, den sie bezahlen, ist eben auch höher. Und ich meine nicht nur den Preis für die einzelne Impfdosis, sondern für die Freiheit und Privatsphäre des Einzelnen. Mich musste die Bundesregierung über meine Krankenkasse anschreiben. Das ist ein hohes Gut, dass meine Gesundheits- und Krankheitsdaten eben nicht einfach bei der Regierung vorliegen.

Die Maskenbezugsscheine appellieren an meine Fähigkeit zur Geduld. Sie sind aber auch ein Zeichen der Zuwendung und versprechen Schutz. Sie sind ein Stück Wegzehrung - ja, in biblischer Sprache „Manna“ - in der Wüste der Pandemie. Wir sind noch nicht am Ziel. „Geduld aber habt ihr nötig“, lese ich im Neuen Testament, „damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt“. (Hebräerbrief 10,36)

Darauf baue ich. Ein anderes Wort für Geduld ist Langmut. Und dieser Mut auf der langen Strecke, der braucht Übung. Und er braucht Hoffnung.

Wie gut, wir haben Anlass und Grund zu hoffen. Wir können uns gedulden.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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04.02.2021
Thomas Dörken-Kucharz