Goldene Regel für Organspende

OP-Tisch

Gemeinfrei via pixabay.com (Guillaume Peron)

Goldene Regel für Organspende
Ist ein Widerspruchsgesetz der richtige Ansatz?
07.09.2018 - 06:35
19.06.2018
Stephan Krebs
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Bei mir hat es funktioniert: Die Krankenkasse hat einen Brief geschickt und mich darin auf das Thema Organspende aufmerksam gemacht. Da habe ich den kleinen, orange-farbigen Abschnitt herausgenommen, meinen Namen eingetragen und gut sichtbar in meinen Geldbeutel gesteckt. Seitdem bin ich Organspender – zumindest vielleicht. An dieses Vielleicht denkt man nicht gerne. Aber es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man im Ernstfall jemandem immerhin noch das Leben retten kann. Derzeit benötigen weit über 7000 Menschen in Deutschland ein Ersatz-Organ. Die Betroffenen – und dazu zählen auch die Angehörigen – warten darauf ohnmächtig und mit zunehmender Verzweiflung. Viele müssen sterben, wenn sie nicht bald ein Organ bekommen. Für sie kann jeder etwas tun: Bereit sein zur Organspende.

Manchmal kommen mir allerdings auch Zweifel. Zum Beispiel in dieser Woche, in der es so viele hasserfüllte und gewaltbereite Gesichter zu sehen gab. Dann denke ich kurz: Womöglich verlängerst du einem Typen das Leben, der andere Leute niederbrüllt, niederschlägt oder gar niedersticht. Aber das sind nur kurze, schwache Momente. Zum einen, weil ich sicher bin: Jemand, der akut um sein eigenes Leben bangt, hat auch Respekt vor dem Leben anderer. Zum zweiten – und das ist der wichtigere Grund: Mein JA zur Organspende ist ein grundsätzliches JA zum Leben, ohne Ansehen der Person, einfach aus Respekt vor dem Leben, das ich als Geschenk Gottes begreife.

 

Apropos Gott. Natürlich weiß ich: manche Christen haben gegenüber Organspenden Bedenken. Manche fragen sich: Wirkt sich die Unversehrtheit ihres Körpers womöglich aus auf die Auferstehung von den Toten? Die ist ihnen im Glauben verheißen und darauf liegt ihre große Hoffnung.

Aber für mein theologisches Verständnis sind diese Bedenken zu biologisch gedacht. Wenn Gott uns zu sich holt, dann sind alle Kategorien von Körper und Zeit aufgehoben. Dann sind wir ganz und gar dort, in einer vollständigen Ganzheit, die sich heute nur erahnen lässt.

 

Dennoch bin ich skeptisch, ob der Staat die Organspende zum Regelfall erklären sollte. Das hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in dieser Woche in die Diskussion gebracht. Davon ausgenommen sollen nur die sein, die aktiv widersprechen.

 

Damit erklärt der Staat seine Bürger im Grunde genommen alle zu potenziellen Ersatzteillagern, es sei denn ich bin aktiv und informiert genug um zu widersprechen. Das wäre schon ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit des einzelnen und in seine Selbstverantwortung.

Zumal es offenbar andere Möglichkeiten gibt. Immerhin haben bereits 36 Prozent der Bevölkerung einen Organspenderausweis unterschrieben. Aber die Krankenhäuser überprüfen oft gar nicht, ob ihre Patienten einen haben. Dafür mangelt es den Klinken an Zeit und Personal. Hätten sie beides in ausreichendem Maße, so schreibt das Ärzteblatt, dann könnten sie pro Jahr nicht nur knapp 900 Organe transplantieren, sondern fast 2800. Also mehr als dreimal so viele. Ein großer Schritt in die richtige Richtung, ohne dabei die Bevölkerung in eine automatische Organhaftung zu nehmen.

 

Ich finde: Eigentlich ist das Thema Organspende ein Fall für die Goldene Regel, wie sie in der Bibel geschrieben steht: Sie lautet: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihnen auch.“ (1) Oder vereinfacht im deutschen Volksmund: „Wie du mir, so ich dir.“ Diese goldene Regel lädt dazu ein, die Welt auch mit den Augen der anderen zu betrachten. Das ist in jedem Fall eine gute Übung, denn sie hilft einem die Welt und ihre Bewohner besser zu verstehen. Bezogen auf die Organspende bedeutet das: Wenn ich möchte, dass jemand mir im Ernstfall ein Organ spendet, dann sollte ich dazu auch bereit sein. Das wäre dann die Solidargemeinschaft derer, die im Ernstfall mit ihrem Körper füreinander einstehen. Aus Respekt vor dem Leben.

 

Die Goldene Regel für Organspenden. Diskutieren Sie mit – auf Facebook unter ‚Evangelisch im Deutschlandradio‘.

 

 

Bibelnachweis: Matthäus 7,12

Weitere Infos

19.06.2018
Stephan Krebs