Himmelreich

Obed Hernandez/Unsplash

Himmelreich
Gedanken zur Woche mit Pfarrer Eberhard Hadem
18.02.2022 - 06:35
06.01.2022
Eberhard Hadem
Über die Sendung

Die 15-jährige Kamila Walijewa wurde bei den olympischen Winterspielen in Peking positiv auf verschiedene Dopingmittel getestet. Pfarrer Eberhard Hadem fordert in den "Gedanken zur Woche" eine Untergrenze für das Teilnahmealter bei Olympia - und sagt: Die Frage nach dem Größten und Ersten stellt sich im Himmelreich Gottes nicht.

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Ich glaube nicht, dass es im Himmelreich um Goldmedaillen geht. Aber um Kinder geht es da. Ihnen gehört das Reich Gottes, sagt Jesus (Mk 10, 14).

Klar – Olympia ist nicht das Himmelreich. Aber doch so etwas wie der Sportlerhimmel, jedenfalls für die Sportbegeisterten. Und Wunderkind im Eiskunstlauf bei den Winterspielen in Peking ist Kamila Walijewa. Kamila, ihr Name bedeutet: Die Ehrbare, die Edle. Auch die Vollkommene.

Schon mit dreieinhalb Jahren geht die kleine Kamila zum Eiskunstlauf, dazu Ballett und Gymnastik. Das Banner über dem Eisstadion der Sportschule in Moskau zeigt ihr die Richtung an: „Sportliche Kindheit – Olympische Zukunft.“ Als 10-Jährige beherrscht Kamila schon alle Dreifachsprünge. Jetzt ist sie fünfzehn und in dieser Woche ging es für sie bei Olympia um Gold im Einzel. Mit ihrem Team hat sie schon gewonnen – bis die positive Dopingprobe vom 25. Dezember sie vorläufig ausbremst.

Manche machen es sich jetzt leicht und verweisen auf russische Trainingsmethoden und Dopingpraxis. Es geht aber nicht um Russland. Es geht um ein Kind. Ein Kind, das wohl kaum selbst entschieden hat, die Substanzen Trimetazidin, Hypoxen und L-Carnitin zur Behandlung von Herzproblemen einzunehmen. Und es geht um eine Welt, die sich selbst beglücken will mit ihrem Höher! Schneller! Weiter! – nicht nur im Sport. Sie macht Menschen zu Mittätern, die mit immer subtileren Methoden rücksichtslos in Körper und Seele herumfuhrwerken. Sie locken mit dem Sieg – und machen selbst Kinder zu Opfern.

Ich sehe das tapfere, strahlende Tränenlächeln von Kamila. Und denke – da sind Wunden in der Kinderseele, im höchsten olympischen Himmel des Leistungssports. Nicht nur bei Kamila. Den Blick auf dieses Kind will ich mir nicht verstellen lassen. Nebendebatten lenken nur ab, über Dopingdetails, Politik oder das hehre Ziel der olympischen Sportfairness.

Wer sehen kann, der sieht: Dieses Sportsystem treibt Kinder wie Kamila zu Höchstleistungen, gerade auf dem Eis. Nur als junge 14-, 15-Jährige sind sie dazu in der Lage, wegen ihres geringen Gewichts und Körperwuchses. Fantastische Pirouetten, tolle Kanten und Vierfach-Sprünge in solcher Perfektion und Eleganz sind für ältere Eiskunstläufer kaum möglich. Aber für 15-jährige Wunderkinder. Sie bringen TV-Quote und Geld, Ruhm und prominente Aufmerksamkeit. Gnadenlos und rücksichtslos werden Kinderträume gepusht und gleichzeitig ausgebeutet.

Manche sagen: Alles, was Kindern beim Sport Freude macht, ist gut. Andere meinen: Du musst auch als Kind deinen inneren Schweinehund überwinden, wenn du etwas erreichen willst. Ich meine: Gerne und ja – solange es im besten Sinn ein Kinderspiel bleibt! Aber das, was jetzt vor den Augen der Welt geschieht, ist ein Erwachsenenspiel. In dem die Erwachsenen die Regeln setzen. Indem sie aber auch die Regeln ändern können! 15-Jährige bei den olympischen Spielen? Es braucht dringend eine Untergrenze für das Alter!

Olympia mag für viele der Sportlerhimmel sein. Ich halte es für heilsam, wenn sich das Himmelreich einmischt, das wirklich den Kindern gehört. Das irdische Erwachsenenspiel mit seinem Höher! Schneller! Weiter! hat Jesus durchschaut. Er macht dabei nicht mit. Als seine Jünger darüber streiten, wer denn der Größte sei, stellt er ein Kind in ihre Mitte, nimmt es in seine Arme und sagt zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf (Mk. 9, 36f.).

Die Frage nach dem Größten und Ersten stellt sich nicht im Himmelreich. Dort gibt es keine Goldmedaille und alle sind wie ein Kind. Wenn die Frage bei Olympia gestellt wird – dann bitte nur unter Einhaltung der Jesus-Regel: Was immer ihr tut, habt allezeit das Kind vor Augen. Das Kind, auch im Wunderkind. Das Kind gehört in die Mitte der Fürsorge. Und nicht in die Erwachsenenspiele mit ihrem Druck und Drill und Doping.

Es gilt das gesprochene Wort.

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06.01.2022
Eberhard Hadem