Licht im Dunkeln

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via unsplash/ Vincent Ledvina

Licht im Dunkeln
Gedanken zur Woche mit Jörg Machel
24.12.2021 - 06:35
02.09.2021
Jörg Machel
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Gedanken zur Woche von Jörg Machel

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Sendung zum Nachlesen:

Wenn Sie heute, am Heiligen Abend, einen Gottesdienst miterleben, dann werden Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit diese Worte hören:

 

„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 

Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass sein Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.“

 Jesaja 9, 1-6

 

So hat der Prophet Jesaja vor mehr als 2500 Jahren gesprochen und man fragt sich, wo sah dieser Mann ein großes Licht? Da war kein Friede, da war kein Retter. Den Neuanfang der Geschichte gab es nicht. Jesaja war ein Prophet des Untergangs. Sein Volk war am Ende. Auch darüber schreibt der Prophet. Was aber im Gedächtnis bleibt, das sind seine Worte des Aufbruchs: Vom Licht, das die Finsternis überstrahlt.

Heute feiern Menschen, dass sich die Prophezeiung erfüllt hat, als das Kind im Stall zu Bethlehem geboren wurde. Sie glauben an Jesus, den Messias, der Kranke heilte, Leidende befreite, Verfolgte beschützte:  Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst, so wird er genannt.
Jesus, das Licht in der Finsternis. Doch er wurde hingerichtet. Und es blieb finster in der Welt. 

„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.“ Welch eine Verheißung, die da heute in den Kirchen verlesen wird. Wer aber soll das glauben? Lange könnte ich reden über die Finsternis in dieser Heiligen Nacht. 

Es ist dunkel und kalt in den Wäldern von Belarus. Es ist lebensgefährlich für bildungshungrige Mädchen in Afghanistan.  In diesen Tagen habe ich eine Frau bestattet, die mit Anfang fünfzig an einer Corona-Infektion verstorben ist. Wo also ist das große Licht in all dieser Finsternis?

Ich vermute, das große Licht war nie mehr als eine kleine Kerze. Die Kerze in einer dunklen Nacht, die den Raum füllt, die die Angst vertreibt, die erkennen lässt, wo es langgehen muss.

Und es gibt diese Leute tatsächlich, die dem Licht folgen. Man staunt – woher nehmen sie ihre Zuversicht, warum werden sie vom Scheitern nicht überwältigt, was erhellt ihr Gesicht in all der Finsternis? Fragt man, so zucken sie mit den Schultern. Es ist wohl so, dass im Randbereich des Scheiterns, im Grenzland der Dunkelheit das kleinste Licht groß scheint. Im Flüchtlingscamp und auf der Intensivstation erwartet man keine großen Wunder. Aber man registriert die kleinen Siege und schöpft Hoffnung, immer wieder.

Ich weiß: Viel mehr ist nötig in einer Welt, die so auf der Kippe steht. Aber dieses „Mehr“ erwächst aus dem Wenigen, was schon da ist. Auch in meiner Straße glitzert und funkelt es in diesen Tagen aus den Fenstern und von den Balkonen. 

Die wenigen Kerzen am Baum allerdings scheinen mir angemessener, und die Töne, mit denen Händel Jesaja zum Klingen bringt, lassen mich tatsächlich glauben: Dass es da ist, dieses große Licht. Nicht wir retten die Welt, sie ist gerettet. Und erst daraus erwächst für mich die Kraft zu handeln und nicht zu resignieren, allen Widrigkeiten zum Trotz. 

Lassen Sie ihre Kerze leuchten, gern auch auf Facebook, unter „Evangelisch im Deutschlandradio“. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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02.09.2021
Jörg Machel