Messias in der Politik?

Gedanken zur Woche
Messias in der Politik?
Gedanken zur Woche
24.03.2017 - 06:35
24.03.2017
Pfarrer Jost Mazuch

Nein, der Messias ist er nicht: Martin Schulz, der neue SPD-Vorsitzende. Auch wenn er am vergangenen Sonntag mit 100-prozentiger Zustimmung in dieses Amt gewählt wurde. Gleich darauf wurde er in verschiedenen Kommentaren wieder so bezeichnet: der neue Heilsbringer, der Erlöser der SPD – oder eben: der Messias der Sozialdemokraten. Ich finde: so langsam reicht es. Gegen Herrn Schulz habe ich überhaupt nichts, und auch nicht gegen die Hochstimmung, die in seiner Partei herrscht, seit er vor ein paar Wochen zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde. Aber „Messias“? „Erlöser“? Solche religiösen Titel haben nichts in der Politik zu suchen – jedenfalls nicht in einer Demokratie.

 

Messias – das kommt von dem hebräischen „Maschiach“ und bedeutet „Gesalbter“. In der Bibel wurde ein von Gott erwählter König so bezeichnet; z.B. der berühmte Hirtenjunge David, der vom Propheten Samuel zum König gesalbt wurde. Später verbanden sich mit diesem Titel große Hoffnungen auf einen Nachkommen dieses Königs David, der als gerechter König nach Gottes Willen Israel regieren würde. Erlösungshoffnungen, Heilserwartungen knüpften sich an diese Figur. Als die ersten Christen ihren Glauben an Jesus von Nazareth als den Erlöser der Menschen formulierten, nahmen sie den Messiastitel auf und sagten: dieser Jesus ist der Christus. Christus oder griechisch „Christos“ ist die Übersetzung von Messias und bedeutet dasselbe.

 

Nun glaubt bestimmt niemand, Martin Schulz wäre mit Jesus Christus vergleichbar oder mit König David. Auch niemand in der SPD käme auf so eine Idee. Warum also diese religiös aufgeladenen Vergleiche in den Kommentaren im Internet oder in der Presse? Ich vermute: es geht darum, eine große Fallhöhe zu erzeugen, aus der man den so karikierten Politiker dann hinabstürzen kann. Denn eine gewisse Häme ist bei manchen dieser Vergleiche nicht zu überhören. Da wird jemand übergroß dargestellt, da werden völlig überzogene Erwartungen an einen formuliert, um ihn dann anschließend in ebenso maßloser Kritik zu demontieren.

 

Das Schema ist alt und auch schon seit biblischen Zeiten bekannt. Als Jesus in die Hauptstadt Jerusalem kam, so wird erzählt, gingen ihm viele Menschen entgegen, um ihn zu begleiten. Sie breiteten Palmzweige auf den Weg vor ihm aus und riefen „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Und bekanntlich gab es nur wenige Tage später ebenfalls viele Menschen, die für denselben Mann forderten: „Kreuzige ihn!“ Das scheint ein tiefsitzendes Bedürfnis zu sein: einen Menschen fertigzumachen, den andere verehren – oder den man selbst früher hochgejubelt hat. Woher das kommt –aus Enttäuschung, aus Neid oder schlicht aus Hass? Ich weiß es nicht. Ich ahne nur, dass es niemandem gut tut.

 

Nein, wir brauchen in der Politik keinen Messias. „Verlasst euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen.“ So nüchtern und kritisch sagt es schon ein biblischer Psalm (Ps 146). Selbst, wenn ich es gut meine mit dem neuen Parteivorsitzenden: Wenn ich mein Heil von Gott erwarte, brauche ich den Menschen nicht zu hohe Erwartungen aufzubürden. Politiker und Politikerinnen sind Menschen, die manches können, und die Fehler machen – wie alle anderen auch. Darum ist es gut, dass wir sie auf Zeit wählen können, und dass wir sie ohne Angst kritisieren können. Und darum halte ich auch dagegen, wenn wieder jemand pauschal über „die Politik“ schimpft und alle in den Dreck zieht, die sich da engagieren. Demokratie ist mir wertvoll; ich will sie achtsam und respektvoll wahrnehmen. Der Menschen Heil aber – das darf ich von Gott erwarten.

 

Wenn Sie mit mir über Ihre Erwartungen sprechen wollen, können Sie mich bis acht Uhr anrufen unter der Telefonnummer 030 325 321 344. Ich wiederhole: 030 325 321 344. Oder diskutieren Sie mit auf Facebook unter „deutschlandradio.evangelisch“.

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Pfarrer Jost Mazuch