Rettungsdrama

Die "Sea-Watch 3"

Foto: Chris Grodotzki/Jib Collective/Sea-Watch.org/Archiv

Rettungsdrama
Gedanken zur Woche mit Pfarrer Peter Oldenbruch
11.01.2019 - 06:35
13.12.2018
Peter Oldenbruch
Über die Sendung

Seenotrettung im Mittelmeer, auf Malta – damals bei Paulus. Und heute? So soll ein Schiff, das sich Gemeinde nennt, funktionieren...

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Schiffbrüche passierten dauernd in der Antike. Man konnte dabei ums Leben kommen. Oder überleben. Nicht selten auf einer Insel, oft am Ende der Welt. Auf einer „Insel der Seligen“. Auf einer Insel zu stranden, wo die Einwohner einen nicht umbringen, sondern freundlich empfangen und versorgen, von einem sicheren Hafen, davon träumen Schiffbrüchige.

 

Eine Insel der Seligen gibt es auch am Ende der Apostelgeschichte. Auf dem Weg nach Kreta gerät der Apostel Paulus in Seenot. Als Gefangener des römischen Militärs. Auf dieser Route gerät das Schiff in einen heftigen Sturm. Die Menschen haben Todesangst. Schließlich läuft das Schiff auf und bricht auseinander. Die Passagiere schwimmen an Land. Vielleicht tatsächlich an der heutigen St. Pauls Bucht auf Malta. Damals jedenfalls werden die Schiffbrüchigen freundlich empfangen. Wörtlich heißt‘s in der Bibel:

 

„Die Leute erwiesen uns nicht geringe Freundlichkeit, zündeten ein Feuer an und nahmen uns alle auf wegen des Regens, der über uns gekommen war, und wegen der Kälte“ (Apg 28,2).

 

Hier ist Malta eine „Insel der Seligen“. Gerettete wie Einheimische gingen damals menschenfreundlich miteinander um. Auch die Gestrandeten halfen den Einheimischen.

 

Fast drei Wochen lang, bis vorgestern, kreuzte vor Malta die Seawatch 3. Mit 32 aufgefischten Flüchtlingen an Bord, darunter vier Frauen und drei Kinder. Malta erlaubte der Seawatch 3 nicht, in einen Hafen einzulaufen. Warum nicht? Den privaten Seenotrettern wird vorgeworfen, ihre Arbeit animiere weitere Menschen zur Flucht. Das ist absurd. „Es käme ja auch niemand auf die Idee, zu behaupten, Schwimmer riskierten in der Nordsee ihr Leben, weil am Ufer die DLRG sitzt.“ So Präses Manfred Rekowski, Vorsitzender der Kammer für Migration der Evangelischen Kirche in Deutschland. Rekowski meinte, das sei „eine perverse Art, sich die Probleme vom Hals zu halten.“

 

Am Dienstag konnte ich mit einem Mitglied der Seawatch-Crew vor Malta, mit dem Notfallsanitäter Thorsten Kliefoth sprechen. Er sagte:

 

Thorsten Kliefoth:

„Am meisten Sorgen macht uns tatsächlich der psychische Zustand unserer Gäste. Viele von den Menschen sind einfach auf der Flucht irgendwann mal traumatisiert worden und können diese Situation der Enge und dieses Eingesperrtseins auf dem Schiff überhaupt nicht ertragen, genauso dieses Ausgeliefertsein, dass man einfach auch nicht weiß, was mit einem passiert und selber überhaupt keinen Einfluss hat. Das führt einfach zu erheblichen Stimmungsschwankungen. Die Leute sind schlaflos oder haben Albträume. Und das erleben wir hier eigentlich ständig.“

 

Vorgestern durften die Flüchtlinge dann doch an Land. Später sollen sie und gut 220 andere Flüchtlinge auf Europa verteilt werden, 60 von ihnen nach Deutschland. Das war eine einmalige Lösung, diese Woche. Beim nächsten Mal, vermute ich, wird man das gleiche Drama wieder aufführen. Um Flüchtlinge abzuschrecken. Und potentielle Helferinnen und Helfer.

 

Das ist nicht nur inhuman, das zerstört die zentralen europäischen Werte: die Geltung der Menschenrechte, die Europäische Menschenrechtskonvention, die Genfer Flüchtlingskonvention. Es ist ja keine Gnade, die den übers Meer Flüchtenden gewährt wird. Sie haben ein Recht auf Hilfe. Auf einen sicheren Hafen.

 

Was Thorsten Kliefoth als Notfallsanitäter zu Hause macht, das macht er auch an Bord der Seawatch3:

 

Thorsten Kliefoth:

„Ich kann ganz sicher keinen riesengroßen Beitrag leisten, aber das bisschen, was ich machen kann, find‘ ich, muss ich auch machen, denn im Moment, glaub ich, gehen alle unsere Werte, Menschenrechte, Genfer Konvention, Mitgefühl, Nächstenliebe allmählich den Bach runter.“

 

In der biblischen Geschichte werden genau 276 Menschen gerettet – eine symbolische Zahl, die Summe aller Zahlen von 1-24. Will sagen: Alle werden gerettet, selbst die Soldaten, die den Gefangenen Paulus umbringen wollten, um seine Flucht zu verhindern.

Alle werden gerettet. Genau so soll das Schiff, das sich Gemeinde nennt, funktionieren.

 

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Es gilt das gesprochene Wort.

 

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13.12.2018
Peter Oldenbruch