Hass ist keine Alternative

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Everton Vila

Hass ist keine Alternative
09.11.2021 - 06:35
15.09.2021
Tom Herter
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Heute ist der 9. November 2021.
Vor 83 Jahren fanden in der Nacht vom 9. auf den 10. November die Novemberpogrome statt – grauenvolle Gewalt gegen Jüdinnen und Juden, jüdische Einrichtungen und Synagogen mitten in Deutschland und Österreich.
Gesteuert und durchgeführt durch das nationalsozialistische Regime.

Hunderte Jüdinnen und Juden verloren in dieser Nacht ihr Leben, viele weitere ihr geistliches Zuhause, ihre Geschäfte und Betriebe. Familien wurden zerstört.

 

Heute – 83 Jahre später – ist die Zeit der Nationalsozialisten zum Glück schon lange Vergangenheit. Doch das Gift des Antisemitismus und Rassismus ist keineswegs unschädlich gemacht.

 

Ende September sind Fans der israelischen Fußballmannschaft Maccabi Haifa im Berliner Olympiastadion antisemitisch beleidigt worden. Berliner Fans haben sie mit Bier beworfen und versucht eine israelische Flagge zu verbrennen. Solche Anfeindungen sind kein Einzelfall.

 

Mich macht das wütend.
Als Mensch, der 1990 geboren wurde, liegt für mich die Zeit des Nationalsozialismus und der Gräueltaten an den Juden schon lange zurück. Einzelne Zeitzeugen habe ich in meiner Schulzeit noch kennengelernt. Aber die Ereignisse im Berliner Olympiastadion zeigen mir, dass ich auch heute noch in einem Land lebe, in dem nicht alle Menschen sicher leben und zu ihrem Glauben stehen können.

 

Anfeindungen auf der Stadiontribüne sind noch kein Mord.
Aber die Anschläge auf die Synagoge in Halle 2019 oder der rechtsextreme Terrorakt in Hanau 2020 zeigen, dass der Weg dorthin beängstigend nahe ist: in Halle starben zwei Unbeteiligte, in Hanau starben 9 Menschen mit Migrationshintergrund. Die Motive: antisemitisch und rassistisch.

 

Wikipedia führt eine Liste von antisemitischen Anschlägen und Angriffen im deutschsprachigen Raum nach 1945[1].
Und diese Liste ist erschreckend lang.

 

Wie ein Brandbeschleuniger wirkt da der Hass, der in sozialen Netzwerken um sich schlägt. Dort lässt sich viel hemmungsloser schreiben, was man einem vermutlich nicht ins Gesicht sagen würde.

Doch Hass und Hetze lese ich nicht nur im Internet. Sie begegnen mir auch im politischen Alltag. Heute darf sich keine politische Partei mehr damit schwertun, sich eindeutig von Radikalen in den eigenen Reihen zu distanzieren. Hassreden und Diffamierungen gehören nicht ins Parlament, nicht auf den Marktplatz, nicht auf die Straßen und auch nicht ins Internet.
Ein Slogan bei der Bundestagswahl im September hieß: „Deutschland. Aber normal.“
Hass und Hetze halte ich für alles andere als normal.

 

Gott jedenfalls lässt sich nicht für Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit missbrauchen.
Wer sich dafür auf den christlichen Gott beruft, liegt daneben.

 

Denn der christliche Gott ist in sich Vielfalt – das ist für mich eine wichtige Bedeutung der alten Lehre der Dreieinigkeit in Vater, Sohn und Heiligem Geist. Die gleichzeitig die Lehre von der Dreifaltigkeit ist:
Gott ist Vielfalt. In sich Beziehung. Auf den und die andere bezogen.

Wer in sich Vielfalt ist, der duldet nicht nur Andersartigkeit, sondern freut sich darüber.

Für manche ist das heute immer noch eine Herausforderung.

Wenn Menschen nicht an denselben Gott glauben.
Wenn Menschen nicht heterosexuell sind.

Wenn Menschen nicht dieselbe Hautfarbe haben.

 

Hass und Diffamierung lassen sich nicht mit dem christlichen Gott begründen.

Das lässt sich mit gar keinem Gott begründen, finde ich.

Hass ist keine Alternative.

 

Ich möchte in einem Land leben, in dem kein Mensch benachteiligt wird, in dem keine Homosexuellen aus einer christlichen Gemeinde ausgegrenzt werdenund in dem keine schwarze oder sonst irgendeine Frau Angst haben muss, nachts auf die Straße zu gehen.

 

Vor 83 Jahren haben Antisemitismus und Rassismus ihre hässliche Spitze erreicht.
Ein „Darfesnichtgeben“[2] heute reicht nicht. Jüdinnen und Juden, Migrantinnen und Migranten haben wie alle ein Recht auf ein freies, friedliches und unbekümmertes Leben.
Wer sich dabei auf Gott beruft, kann sagen:
Die christliche Antwort auf alle Formen von Hass ist Liebe.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

[1]https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_antisemitischen_Anschlägen_und_Angriffen_im_deutschsprachigen_Raum_nach_1945

[2] https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-10/halle-anschlag-antisemitismus-was-hat-sich-veraendert

 

15.09.2021
Tom Herter