Alles hat seine Zeit.

Morgenandacht
Alles hat seine Zeit.
19.04.2017 - 06:35
17.04.2017
Pfarrer Markus Karsch

„Alles hat seine Zeit“. Ein schon sprichwörtliches Zitat aus dem biblischen Buch des Predigers:

„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit.“

Und vieles mehr, das seine Zeit hat – nur ich, ich habe keine Zeit.

 

Es fängt schon morgens an – der Tag ist gut verplant:

Um 6 klingelt der Wecker. Wenn ich dann nicht gleich aufstehe, weil es grad so schön gemütlich ist, dann kommt der ganze Tagesablauf durcheinander. Dann muss ich mich beeilen und hastig frühstücken – falls dazu noch Zeit bleibt.

 

Dann geht es zum ersten Termin. Kaum bin ich da, schaue ich schon wieder auf die Uhr: Die Zeit rast heute wieder. „Tut mir leid, ich hab’ nicht viel Zeit. Ich muss gleich wieder weiter.“ Darum schnell, schnell. Und weil wir nicht fertig werden, machen wir noch schnell einen Termin für ein nächstes Treffen.

„Diese Woche geht’s nicht mehr, vielleicht nächste. Der Kalender ist schon wieder so voll!“ Keine Zeit mehr frei…

 

Und weiter zum nächsten, zum nächsten und zum nächsten Termin.

Dazwischen noch schnell einkaufen – was sollte ich noch gleich mitbringen? Gut, dass ich alles aufgeschrieben habe. Denn auch beim Essen ist die ganze Woche geplant, damit man nicht zu oft zum Einkauf muss – das spart Zeit.

 

Also flink in den Supermarkt. Der wieder mal brechend voll ist. Schrecklich! Keiner hat Zeit, alle sind eilig und gereizt.

Ich auch. Das wirft meinen ganzen Zeitplan durcheinander! Ich komme zu spät nach Hause. Meine Frau wird nicht begeistert sein, die braucht doch gleich das Auto.

 

Apropos! Zuhause wartet auch noch Arbeit. Und der nächste Tag muss geplant werden.

Dann noch der Garten, das Haus, die Wäsche… usw.

 

Am besten plane ich gleich die ganze nächste Woche, teile mir meine Zeit gut ein. Zeitmanagement – das ist die Lösung! Sonst hilft nur noch ein Wunder.

 

Ein Wunder, ja… Gab es da nicht eine andere Geschichte in der Bibel zum Thema Zeit? In der Jesus auf wundersame Weise Zeit vermehrt?

 

„Jesus sah eine große Menge des Volkes. Die Menschen taten ihm leid. Und er redete zu ihnen von der unwiderstehlichen Liebe Gottes. Als es Abend wurde, sagten seine Jünger: „Herr, schicke diese Leute fort! Es ist schon spät, sie haben keine Zeit.“ „Gebt ihnen doch davon!“, sagte er. „Gebt ihnen doch von Eurer Zeit!“ „Wir haben doch selber keine“, fanden sie, „und was wir haben, diese wenige Zeit, wie soll das reichen für so viele?“ Doch da war einer unter ihnen, der hatte wohl noch fünf Termine frei, mehr nicht, zur Not, dazu zwei Viertelstunden. Und Jesus nahm mit einem Lächeln die fünf Termine, die sie hatten, dazu die zwei Viertelstunden in die Hand. Er blickte auf zum Himmel, sprach das Dankgebet und den Lob, dann ließ er austeilen, die kostbare Zeit, durch seine Jünger an die vielen Menschen. Und siehe da: Es reichte nun das wenige für alle. Am Ende füllten sie sogar noch zwölf Tage voll mit dem, was übrig war an Zeit; das war nicht wenig. Es wird berichtet, dass sie staunten. Denn möglich ist, das sahen sie, Unmögliches bei ihm.“

 

Lothar Zenetti hat die biblische Erzählung von der Speisung der Fünftausend auf die Zeit übertragen. So, wie Jesus die Menschen dazu gebracht hatte, ihr Essen zu teilen, damit alle auf wundersame Weise satt werden, teilt er hier die Zeit.

 

Ich frage mich, ob Zenetti recht hat – und ich mache es falsch. Weil ich ständig versuche, Zeit zu sparen.

Vielleicht sollte ich stattdessen anfangen, meine Zeit mit anderen zu teilen. Auch wenn es nur wenig ist. Vielleicht nur einen kleinen freien Termin am Tag mit der Familie, die ich sonst immer vertröste – „wenn ich mal Zeit habe“. Bloß eine Viertelstunde hier und da, geteilt mit Freunden.

„Und siehe da: Es reichte nun das wenige für alle“ – für die Arbeit, für Familie, Freunde und sogar ein Hobby, für Frei-Zeit und Beruf, für Hektik und für Ruhezeit.

Zeit teilen – und voller Staunen bemerken, wie so plötzlich mehr daraus wird.

Und womöglich stimmt es dann auf wundersame Weise endlich auch wieder für mich: Alles hat seine Zeit.

17.04.2017
Pfarrer Markus Karsch