Begrenzte Zeit

Morgenandacht
Begrenzte Zeit
21.02.2018 - 06:35
11.01.2018
Pfarrer Titus Reinmuth
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„Meine Reise ins Leben“ – unter dieser Überschrift treffen sich Jugendliche in meiner Kirchengemeinde. Die Konfirmanden machen sich Gedanken über ihre Zukunft: Worauf freue ich mich, was macht mir Sorgen, wen brauche ich? Sie packen einen Koffer für ihre Reise ins Leben, sie bekleben Umzugskartons mit dem, was ihnen wichtig ist. Am Ende des Tages stellen sie sich vor: Wie ist das, wenn ich 18 bin oder 25, 53 oder 82? Sie werden gebeten, immer auch ein unvorhergesehenes Ereignis zu benennen. Sie wissen ja, dass nicht alles im Leben planbar ist. Ein Mädchen stellt sich vor: Ich bin 18 und werde schwanger. Was wünscht sie sich? Was bereitet ihr Sorgen? Über 30 Bibelsprüche liegen auf einem Tisch. Ich bin 18 und werde schwanger – sie schaut und findet einen Psalmspruch: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“ (Ps 37,5)

 

Ein Junge stellt sich vor: Ich bin 38 und bin tot. Manche erschrecken, manche lachen verlegen. Doch die Gruppe nimmt ihn ernst: da ist einer 38 und ist tot. Was kann geschehen sein? Eine schwere Krankheit vielleicht oder ein Unfall. Ich weiß, in der Gruppe gebt es mindestens drei, die das erlebt haben. Dass ein Elternteil oder ein Bruder, eine Schwester, tot ist. Genauso: durch eine schwere Krankheit oder einen Unfall. Der Junge schaut eine Weile auf die Bibelsprüche. Dann wählt er einen Satz aus dem Johannesevangelium: Jesus sagt: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ (Joh 10,27f)

 

Der persönliche Blick in die Zukunft – allen wird plötzlich klar, es macht einen großen Unterschied: Bloß theoretisch zu wissen, „mein Leben ist begrenzt“ – oder es hautnah zu erleben, dass ein Freund oder Verwandter schwer krank wird oder stirbt.

 

2005 hielt Steve Jobs eine Rede an der Stanford University. Der Apple-Gründer sprach auf der jährlichen Abschlussfeier der Universität vor den Studentinnen und Studenten. Die Jugendlichen schauen sich die Rede an. Sie ist deshalb so berühmt, weil Steve Jobs ziemlich persönlich wurde: Ein Jahr zuvor war bei ihm Krebs diagnostiziert worden. Jobs meinte damals, diese Erinnerung, dass er bald tot sein werde, helfe ihm wie nichts anderes, die großen Entscheidungen im Leben zu treffen. Er erzählte den Studierenden: Wenn er morgens aufstehe, schaue er sehr bewusst in den Spiegel und frage sich: Will ich wirklich das tun, was ich heute tun werde? Gut, wenn die Antwort Ja ist. Aber wenn sie für eine ganze Reihe von Tagen immer wieder Nein laute, dann sei es Zeit für eine Veränderung. Sein Leitsatz wurde: Tue das, was Du zu tun liebst!

 

Auch die Bibel kennt solche Lebensweisheit.

Der 90. Psalm beschreibt die Lebenserwartung: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, achtzig Jahre.“ Doch das Psalmwort weiß auch um die Zerbrechlichkeit des Lebens. So wie der Jugendliche, der sich plötzlich vorstellt: Ich bin 38 und bin tot. Und deshalb wendet sich der Psalmbeter an Gott: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“

 

Der Samstag mit den Jugendlichen erinnert mich: Auch meine Lebenszeit ist begrenzt. Nicht alles Menschenmögliche kann ich verwirklichen. Aber traurig macht mich das nur selten noch. Denn das ist auch eine riesengroße Entlastung! Ich muss nicht immer alles schaffen, ich kann das Leben nicht ewig festhalten, sondern werde es eines Tages loslassen. Wann dieser Tag kommt, das weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, das wird mich nicht aus Gottes Hand reißen. Gott wird dann sagen: Es ist genug. Du hast gelebt. Das machte Sinn.

 

Und das fühlt sich so an, als sagte Gott jetzt schon zu mir: Du musst nicht noch mehr schaffen. Fülle einfach dein Leben mit dem, was du kannst. Finde Menschen, die dich lieben, und solche, die du liebst. Finde Aufgaben, für die ich dich begabt habe, die zu tun du liebst. Alles andere ist zweitrangig. Hauptsache, du verpasst nicht das Leben, das ich dir geschenkt habe. Dann bist du klug.

 

11.01.2018
Pfarrer Titus Reinmuth