Das Ich, das Mich, das Mein

Morgenandacht
Das Ich, das Mich, das Mein
22.02.2017 - 06:35
21.02.2017
Pfarrer Eberhard Hadem

Immer ist der andere schuld, wenn eine Liebesgeschichte kaputt geht. Was die eigenen Anteile am Zerbrechen einer Liebe angeht – da sind wir manchmal blind. Es ist schwer, den eigenen blinden Fleck zu entdecken. Was hindert, mich selbst zu erkennen? Die Dichterin Mascha Kaléko sieht drei Hausgenossen am Werk:

 

Es wohnen drei in meinem Haus:
das Ich, das Mich, das Mein.
Und will von draußen wer herein,
so stoßen Ich und Mich und Mein
ihn grob zur Tür hinaus.

 

Stockfinster ist es in dem Haus,
trüb flackert Kerzenschein,
Herr, lass dein Sonnenlicht herein!
Dann geht dem Ich, dem Mich, dem Mein

das fahle Flämmchen aus.

 

Mein ‚Ich‘, mein ‚Mich‘ und das, was ‚Mein‘ ist, verhindern, dass etwas von außen hereinkommen kann. Sie stoßen es grob aus dem Haus. Die Folge: dem ‚Ich‘, dem ‚Mich‘ und dem ‚Mein‘ bleibt nur ein einsam-dreisames Selbstgespräch, ein Monolog zu dritt. Und dieser Monolog ist so langweilig wie die Monologe derjenigen, die andere nur als Stichwortgeber brauchen. Kaum hat jemand etwas gesagt, fallen sie ihrem Gegenüber ins Wort und wollen vor allem von ihren eigenen Erlebnissen erzählen. Auf Dauer sind solche ‚Gespräche‘ öde und fad. Und das Schlimme ist: manche Menschen merken nicht einmal, wie sehr sie damit ihr ‚Ich‘, ihr ‚Mich‘ und ihr ‚Mein‘ ins Licht stellen. Im Gegenteil, sie klagen, wie wenig man ihnen zuhöre. Ja, es braucht schon ein besonderes Licht, um im eigenen Haus zu erkennen, wie stockfinster und trüb es wirklich dort ist.

 

Ich verstehe das Haus, das die Dichterin beschreibt, als das menschliche Herz. In der Bibel ist das Herz das geistige Zentrum des Menschen, der Sitz der Vernunft und des Verstandes: dort wird geplant, gedacht, überlegt, entschieden. Deshalb bittet König Salomo Gott um ein verständiges Herz, also ein Herz mit Verstand. Und Gott antwortet ihm: Weil du darum bittest – und bittest weder um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern um Verstand, auf das Recht zu hören – siehe, so gebe ich es dir: (…) ein weises und verständiges Herz. Sprichwörtlich ist so die Weisheit des Salomo geworden.

 

Die Dichterin Mascha Kaléko bittet Gott auch um etwas: um göttliche Erleuchtung, um das göttliche Sonnenlicht, weil sie sonst nicht erkennen kann, was für Kleingeister die drei in ihrem eigenen Haus sind. Also mit anderen Worten: in sich selbst. Da muss das Sonnenlicht schon einen großen hellen Schein in ihr Herz bringen, damit dem ‚Ich‘, dem ‚Mich‘ und dem ‚Mein‘ das fahle Flämmchen ausgehen kann. Ent-täuscht, könnte man dann sagen. Doch so könnte aus dem Ende einer Liebesgeschichte ein neuer Anfang werden, ohne blinde Flecke für den oder die Anderen.

 

Wie lange muss man Liebe lernen? Wie komme ich aus dem unseligen Selbstgespräch heraus, aus dem inneren Monolog, bei dem ich mir nur selber zuhöre? Das ist im Glauben genauso schwer wie in der Liebe.

 

Wie lange muss man Glauben lernen? Wer anfängt, mit seinem Herzen zu reden, kann auch das Hören lernen. So komme ich auch mit Gott ins Gespräch; kann hören auf ihn, auf seine Worte. So kann ich frei werden, Gott um seiner selbst willen zu vertrauen. Nicht, weil er mir alle Wünsche erfüllt, sondern weil er seiner Verheißung treu bleibt und mir zur Seite steht. Auch der Glaube ist eine Liebesgeschichte.

 

Wie lange also muss man Liebe lernen? Eine Illusion ist es zu glauben, dass ich irgendwann wüsste, wie die Liebe funktioniert, und ich sie nur einstellen und pflegen müsste wie ein Uhrwerk, das dann von allein weiterläuft.

 

Doch wenn ich ehrlich mit mir selbst in meinem Herzen rede, Licht auf meine blinden Flecke scheinen lasse, dann komme ich auch mit dem Menschen, den ich liebe, ins Gespräch. Gespräche brauchen immer beides: Hören und Reden.

21.02.2017
Pfarrer Eberhard Hadem