Die Tür des Übergangs

Morgenandacht
Die Tür des Übergangs
01.12.2018 - 06:35
13.09.2018
Ines Bauschke
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In der Adventszeit werden wieder die Türen aufgemacht: Heute ist die erste dran. Adventskalendertürchen, jeden Tag eine, und heute die erste. Hinter jeder Tür wartet ein kleines Geschenk, meist eine Süßigkeit. Bis am Heiligen Abend dann die letzte, große Tür aufgemacht wird. Hinter dieser Tür verbirgt sich das größte Geschenk: Gott in der Welt – in der menschlichen Gestalt des Jesuskindes.

 

Heute am 1. Dezember wird also das erste Kalendertürchen aufgemacht. Morgen beginnt mit dem 1. Adventssonntag die Adventszeit. Die zu Ende gehende Woche ist für Christinnen und Christen eine Übergangszeit. Zeit zwischen den Jahren, zwischen den Kirchenjahren. Am vergangenen Sonntag haben die Evangelischen den Totensonntag oder Ewigkeitssonntag gefeiert. Mit einem Gedenken der Verstorbenen haben sie das vergangene Kirchenjahr beschlossen. Mit Beginn dieser Woche lassen sie die Totengedenktage hinter sich. Ab morgen, wenn die Adventszeit beginnt, bereiten wir uns auf das Fest der Geburt Jesu vor.

 

Also, Türen auf, nicht nur im Adventskalender. Wer durch eine Tür tritt, überschreitet eine Schwelle, tritt von einem Raum in den anderen. Doch nicht jeder Übergang ist einfach. Nicht ohne Grund werden daher Übergänge in der Kirche mit Feiertagen und Ritualen begleitet: Rituale wie Taufe, Konfirmation, Trauung und schließlich die Beerdigung gestalten diese Übergänge, geben Halt und begleiten.

 

Denn: „Nichts ist so beständig wie der Wandel“, wusste bereits vor 500 Jahren der griechische Philosoph Heraklit. (1) Dieser stetige Wandel des Lebens kann verunsichern, der Weg durch die Tür des Übergangs kann Angst machen. Und was lasse ich alles hinter mir, wenn ich die Räume wechsele, für mich ist das in diesem Jahr ganz konkret:

 

Ich habe gerne in meinem Haus gewohnt. Es war mir ein vertrauter Rückzugsort, eine sichere Burg, eine bergende Höhle zum Leben, zum Wohnen, zum Feiern. Nun muss ich ausziehen, mein Zuhause hinter mir lassen. Werde ich mich jemals wieder so geborgen fühlen?

Ich lasse meine Arbeit hinter mir, gehe in den Ruhestand. Ich mag meinen Beruf, habe viel erlebt und geschafft, habe meine Grenzen kennengelernt, bin über mich hinausgewachsen. Und nun? Was mag jetzt kommen?

Ich musste meine Gesundheit hinter mir lassen, werde nicht mehr unangefochten kraftvoll mein Leben in die Hände nehmen. Ich muss kürzertreten. Ich lasse einen großen Teil meines Lebens hinter mir.

Und all die anderen Übergänge: Abschied von lieben Menschen, von denen es heißt, sie seien uns nur vorausgegangen. Diesen letzten Übergang habe auch ich einmal vor mir.

 

Der Weg durch die Tür ist nicht leicht. Die Tür ist daher ein Symbol des Übergangs, auch in der Bibel. Nicht ohne Grund sagt Jesus daher im Johannesevangelium von sich selber: Ich bin die Tür. (Joh. 10,9) Mit diesem Wort bietet sich Jesus an als einer, der bei den Übergängen im Leben dabei ist.

 

Jesus hatte ja schon zu seiner Zeit Leute um sich versammelt, die von einem Tag auf den anderen ihr altes Leben hinter sich gelassen haben. Sie haben den Übergang in die Nachfolge Jesu gewagt: Die Fischer, der Zöllner und viele Frauen, sie haben sich von ihrem bisherigen Leben verabschiedet, neugierig, erfüllt, sehnsuchtsvoll. Sie haben sich ein neues Leben ersehnt. Diese Jünger und Jüngerinnen haben von Jesus Geschichten über Gottes Reich gehört, in dem es gerechter zugehen soll, liebevoller, wo keiner ausgeschlossen wird. Sie sind aufgebrochen, mitgegangen. Es war auch für sie als Begleiter Jesu kein leichter Übergang, manche sind gestolpert. Auch diese Erfahrung gehörte dazu.

 

Wenn ich auf der Schwelle stehe, einen Übergang vor mir habe, dann erhoffe ich mir dabei ein Gegengewicht zu all dem, was ich hinter mir lassen muss. Denn es kommt ja etwas Neues. Das verspricht die Adventszeit, es ist eine gestaltete Zeit, in der Rituale helfen, sich auf das Neue vorzubereiten: Adventskerzen und Adventssonntage strukturieren diese Wochen. Jeden Sonntag wird eine Kerze mehr angezündet, es wird jede Woche ein bisschen heller, bis es dann endlich Weihnachten ist.

 

Mit dem Abschied, dem Verlust, mit all dem, was zu Ende geht, ist eben doch nicht alles zu Ende. „Seht die gute Zeit ist nah, Gott kommt auf die Erde“, (EG 18,1) heißt es in einem Adventslied. Es kommt etwas Gutes. Dafür steht für mich die Adventszeit. Morgen fängt sie an.

 

(1) Diels/Kranz (Hg.), Die Fragmente der Vorsokratiker, hrsg. von Hermann Diels und Walther Kranz, Weidmannsche Buchhandlung 1903. S. 58

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.09.2018
Ines Bauschke