Engagement – der Rat der Alten

Morgenandacht
Engagement – der Rat der Alten
27.01.2018 - 06:35
11.01.2018
Cornelia Coenen-Marx
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Der Rat der Großmütter: In Deutschland wurde er 2009 gegründet. „Großmütter“ aus aller Welt haben sich zusammengeschlossen, weil sie sich angesichts von Seuchen und Armut, von Klimawandel und Naturzerstörung um die Zukunft der Erde und der Menschheit sorgen. Großmütter aus Afrika sind dabei, sie versorgen die Enkel, weil die Eltern an Aids gestorben sind. Großmütter vom Balkan, sie ziehen die Kinder groß, weil ihre Mütter hier bei uns andere Großmütter pflegen. Frauen aus Deutschland, die Leihgroßmütter geworden sind – für überlastete Familien. Für Alleinerziehende.

 

Vielleicht ist es an der Zeit, die Rolle der Ältesten neu zu beleben. Auch die Kirche kennt ja ein Ältestenamt, das Presbyteramt. Das griechische Wort ist eine Erinnerung: die Älteren in der Antike genossen große Wertschätzung, weil sie im Lauf ihres Lebens Weisheit und Einsicht entwickeln konnten. Und auch ein Witwenamt gab es; da waren die Frauen gefragt, die mit ihren Kindern allein standen und auf die Hilfe anderer angewiesen waren. Sie kannten die Armut. Sie wussten, was Lebensbrüche sind und wie es sich anfühlt, abhängig zu sein. Sie hatten eine besondere Empathie für die Armen, für die Kinder und für die Sterbenden.

 

Heute engagieren sich viele Ältere in der Nachbarschaft, sie knüpfen die kleinen Netze des Zusammenhalts in den Gemeinden. „Im Alter bekommen die Körper eine andere Bedeutung – sie werden anfälliger und zeigen Schwäche“, schreibt Lisa Frohn. „Das heißt auch, dass der Ort, an dem der Körper sich befindet und die Umstände an diesem Ort wichtiger werden.“ Weil es um Wohlergehen, Gesundheit, Versorgung und Betreuung geht. Ältere haben die Fähigkeit, darauf zu achten – bei sich selbst und bei anderen.

 

Bei den jungen Alten schlägt das Herz der neuen, generationenübergreifenden Gemeinwohlbewegung. Sie tragen die Nachbarschaftsprojekte, die Dorfläden und die Bürgerbusse und auch die Mittagstische, bei denen reihum gekocht wird. Bei „Rent a Grant“ arbeiten sie als Leihoma und in Mehrgenerationenhäusern geben sie den Kindern ein Stück Kontinuität in wechselnden Alltagsmustern. Man findet sie bei Hausaufgabenhilfen, in der Flüchtlingsarbeit, als Lesehelfer und als Mentoren für Auszubildende. Viele suchen solche Ratgeber, die Lebenserfahrung einbringen. Menschen, die sich mit den eigenen Fehlern und Umwegen ausgesöhnt haben. Sie können deshalb auch andere vorurteilsfrei annehmen und begleiten. Und vielen zu Segen werden.

 

Für die allermeisten alten und auch für die sehr alten Menschen ist das ein zentraler Lebensinhalt. Eine Hochaltrigenstudie der Universität Heidelberg stellt fest: Mehr als 60 Prozent engagieren sich für andere Menschen. Und genauso viele haben das Bedürfnis auch weiterhin gebraucht und geachtet zu werden. Vor allem von den jüngeren Generationen. 85 Prozent der Befragten beschäftigen sich intensiv mit den Lebenswegen der nachfolgenden Generation. Auch wer körperlich nicht mehr fit ist, muss mit seinem Engagement für andere nicht aufhören.

 

Gerade die Älteren können andere beraten und begleiten. Mehr noch: sie können für andere beten. Ich denke dabei an Abraham, der für seine Verwandten in Sodom gebetet hat. Abraham bekniet Gott, die Stadt Sodom zu erhalten – trotz Profitgier und Naturzerstörung. Weil er die Erde und die Menschen liebt – ganz ähnlich wie der Rat der Großmütter es tut. Abraham bittet Gott, die Stadt vom Untergang zu verschonen, wenn es nur 50 Gerechte darin gibt – oder nur 45 oder 40. Oder sogar nur 20 oder 10. Er bittet und bettelt und handelt mit Gott. Voller Furcht, aber ohne falsche Scheu. Weil die Liebe größer ist als jeder Wunsch nach Bestrafung. Weil es ihm um die Zukunft der Welt geht. Das ist der Zukunftssinn der Älteren. Wer weiß, wie endlich das Leben sein kann, der setzt sich ein, damit es weitergeht. Mit seinem Engagement – mit Rat und Tat und mit seiner Fürbitte.

11.01.2018
Cornelia Coenen-Marx