Erfolg

Morgenandacht
Erfolg
15.02.2021 - 06:35
11.02.2021
Annette Bassler
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Während meines Studiums habe ich in einer Fabrik gearbeitet. Acht Wochen lang stand ich jeden Morgen um sechs Uhr am Fließband. Habe Schaumstoffteile auf eine Gummimatte geklebt. Immer den Geruch von Kleber und Gummi in der Nase. In der grauen Werkshalle sahen alle irgendwie grau aus. Ab und zu kamen die aus der Verwaltung vorbei. Das waren die mit den weißen Hemden und den sauberen Blusen. Sogar nach der Arbeit.

Einmal hatte ich viel Spaß mit einer jungen Türkin. Gemeinsam haben wir Gummimatten beklebt und sie mit Schwung auf einen Stapel geworfen. Dabei haben wir gesungen und gelacht und am Abend hatten wir eine Rekordzahl von Matten beklebt und waren ganz stolz. Aber eine ältere Frau nahm uns zur Seite und meinte, wir sollen das nicht mehr machen. Denn dann würde für sie die Sollzahl der Matten erhöht. Und so viel Energie hätten die Älteren nicht.

Nach acht Wochen ging ich wieder zur Vorlesung. Und von da an dachte ich jeden Morgen, um 9 Uhr in der Vorlesung an meine Frauen in der Fabrik. Dass die jetzt schon drei Stunden gearbeitet hatten. Und ich empfand es als großes Privileg, studieren zu dürfen.

Seit meiner Zeit in der Fabrik denke ich anders über das, was man landläufig „Erfolg“ oder „Karriere“ nennt. Denn näher betrachtet ist Erfolg doch nicht das, was sich automatisch einstellt, wenn man nur hart genug gearbeitet, sich optimiert und gekämpft hat. Erfolg ist und bleibt auch ein Geschenk. Das erleben derzeit viele unter uns auch bitter.

Friseurinnen, Kneipiers, Schauspieler, Musikerinnen und viele mehr bangen in diesen Tagen um ihre wirtschaftliche Existenz. Sie haben hart gekämpft, um ihre Karriere oder ihren Betrieb aufzubauen. Sie haben alles richtig gemacht. Und dann kommt eine große Katastrophe in Gestalt eines kleinen Virus und alles gerät ins Wanken.

Die Pandemie bringt es an den Tag. Erfolg ist auch ein Geschenk. Genauso wie Gesundheit, sozialer Friede und wirtschaftliche Stabilität. Natürlich können wir viel dafür tun. Aber wir haben es letztlich nicht in der Hand.  Die zu uns aus ihrer Heimat geflüchtet sind, haben es vor uns erfahren. Auch sie haben gekämpft und alles richtig gemacht. Und dann hat der Krieg alles zerstört und sie mussten wieder von vorne anfangen. So ist das Leben. Unverfügbar.

Vielleicht hat Jesus deshalb so leidenschaftlich für eine andere Vorstellung von „Erfolg“ gekämpft. Er war selber ja durchaus erfolgreich zunächst und hatte als Lehrer und Wunderheiler viele Follower. Seine engen Freunde wollten gerne mit ihm Karriere machen. Wollten hoch hinaus und wer sein in der Welt. Aber Jesus hat ihre Vorstellung von Erfolg auf den Kopf gestellt.

„Wer unter euch der Größte sein will“, hat er gesagt, „der sei der Diener aller.“ Und damit sie ein Bild davon haben, wie er das meint, hat er etwas getan, was wohl sehr irritierend für sie war.

Er hat sich ein Handtuch über die Schulter geworfen, hat eine Schüssel mit Wasser gefüllt und seinen Freunden die staubigen Füße gewaschen. Das war damals die Arbeit der Sklaven. Das also ist Erfolg. Für Andere ein Segen sein und ihnen helfen. Egal, in welcher Position.

Meine Zeit am Fließband hat mir mein ganzes Leben lang Bodenhaftung geschenkt. Erfolg ist für mich nie zur Selbstverständlichkeit geworden. Und noch etwas hat sich geändert, als ich mich auf Jesu Vorstellung von „Erfolg“ eingelassen habe. Erfolg war für mich nicht mehr das, was meine Person ausgezeichnet oder wertvoll gemacht hätte. Jesus entkoppelt den Wert deiner Person vom Wert deiner Arbeit. Du stehst und fällst nicht mehr damit, was du erreicht hast und was du darstellst vor Anderen. Dein Wert - er liegt in Gottes Hand und ist unverhandelbar. Deine Würde ist unantastbar.

Die junge Türkin damals in der Werkshalle, sie hätte gerne eine Ausbildung gemacht. Aber das war für sie nicht möglich. Weil die Familie sie gebraucht hat, um finanziell über die Runden zu kommen. Das zu tun war für sie eine Ehre.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

11.02.2021
Annette Bassler