Fasten im Advent

Morgenandacht
Fasten im Advent
30.11.2015 - 06:35
18.06.2015
Pastor Matthias Viertel

Nun hat sie so richtig begonnen, die Vorweihnachtszeit mit dem ersten Advent. Die entsprechenden Accessoires finden sich schon seit Wochen in den Läden. Aber bei vielen Menschen macht sich auch jetzt noch ein gewisser Vorbehalt bemerkbar: Man mag noch nicht so richtig zugreifen, es ist doch immer noch ein bisschen zu früh. Und bei manchen schleicht sich das Gefühl ein, dass einem in diesen Tagen sowieso nicht nach Weihnachten zumute ist. Dass sie doch ganz andere Sorgen haben. Herbeizwingen lässt sich die vorweihnachtliche Stimmung eben nicht so einfach.

 

Das lässt in diesem Jahr den Advent anders betrachten. Weniger als Zeit der Weihnachtsmärkte mit ihren Punsch- und Würstchenbuden. Sondern sich an die Ursprünge zu erinnern und wachzurufen, dass die Adventszeit einmal als Besinnungszeit und deshalb auch als Fastenzeit angelegt war. Bischof Perpetuus von Tours hatte das Adventsfasten im 5. Jahrhundert eingeführt. Es sollte am 11. November beginnen und bis Weihnachten dauern. Der Bischof ging allerdings schon damals pragmatisch vor, er wollte seine Gemeinde nicht überfordern und schlug deshalb vor, zumindest dreimal pro Woche auf das Essen zu verzichten. Dadurch sollte es möglich werden, sich körperlich und geistig auf die frohe Weihnachtsbotschaft einzustimmen. So gab es also genau wie vor Ostern auch vor dem Weihnachtsfest eine Zeit, in der das Essen in den Hintergrund treten sollte.

 

Damit es aber trotz der Fastentage doch nicht allzu karg zugehen musste in dieser eigentlich fröhlichen Zeit, wurden ein paar Ausnahmen geregelt. Sie wurden nicht nur geduldet von der kirchlichen Obrigkeit sondern sogar gern gesehen. Und genau dazu gehört das Gebäck, jedenfalls ein ganz spezielles Gebäck, der Spekulatius. Wahrscheinlich kommt es aus dieser Tradition, dass man den Keksen, die extra für die Vorweihnachtszeit gebacken werden, eine besondere religiöse Bedeutung beigibt – sozusagen als Alibi. Wenn schon essen und genießen dann zumindest mit andächtigem Gehalt. Bei dem Spekulatius ist das besonders auffällig und deshalb gehört er untrennbar zur Adventszeit.

 

Seine häufigste Form ist der Gewürzspekulatius, der seinen typischen Geschmack durch die orientalischen Gewürze Kardamom, Gewürznelke und Zimt bekommt. Daneben gibt es den Mandelspekulatius, der dezenter gewürzt ist, und den etwas süßeren Butterspekulatius. Alle diese Formen des Spekulatius sind allerdings Gebäck mit christlichem Tiefgang. Der Name soll nämlich vom lateinischen Ausdruck „Spekulator“ kommen. Das heißt direkt übersetzt „Aufseher“ oder „Beobachter“, mit diesem Titel wurden früher die Bischöfe bezeichnet.

 

Man darf vermuten: das leckere, würzige Gebäck aus Mürbeteig hat diesen Namen bekommen, um damit anzudeuten, dass der Genuss sozusagen vom Aufseher genehmigt worden ist, ein Genuss mit bischöflichen Weihen also, gerade in diesem Jahr, in dem uns so gar nicht nach Feiern zumute ist.

 

Überdies ist mit diesem Spekulator ein ganz bestimmter Bischof gemeint: Nämlich Nikolaus von Myra. Der soll damals die Bewohner der Stadt Myra in der Not mit Brot versorgt haben. Und zur Erinnerung an ihn bürgerte sich der Brauch ein, in der Adventszeit ein besonderes Brot zu backen. Zusätzlich wurde dieses spezielle Brot in Backformen als Bild gestaltet. Meistens wurden dann in der Form der Bischof selbst oder auch eine Episode aus seinem Leben abgebildet. Traditionell stellen die Abbildungen auf den Spekulatius die Nikolausgeschichte dar. Sie konnte durch Sortieren der Stücke anhand der Abbildungen erzählt werden.

 

Heute finden sich auf den Spekulatius oft auch andere Darstellungen. Aber wenn man Glück hat, entdeckt man darauf vielleicht doch den Nikolaus oder andere Heiligenfiguren. Es lohnt sich also, vor dem Reinbeißen noch einmal genauer hinzuschauen. Dann sind die Spekulatius nicht nur ein wohlschmeckendes Vergnügen, sondern sie erinnern daran, wie es dem Bischof damals gelang mitten im kalten Winter eine Hungersnot zu lindern.

18.06.2015
Pastor Matthias Viertel