Fürchtet euch nicht

Morgenandacht
Fürchtet euch nicht
16.11.2015 - 06:35
18.06.2015
Pfarrerin Lucie Panzer

Gestern war Volkstrauertag. Und nicht nur ein Volk war und ist in Trauer. Ich glaube: Die ganze Welt trauert mit unseren französischen Nachbarn. Die furchtbaren Verbrechen in Paris in der Freitagnacht machen einen fassungslos.

 

Ich denke noch immer vor allem an die Opfer. Junge Menschen vor allem, die sich in Clubs und Cafes amüsieren wollten. Jetzt sind sie schwer verletzt oder tot. Sie haben nichts zu tun mit der großen Politik, erst recht nicht mit dem verbrecherischen Islamischen Staat – manche von ihnen waren womöglich selbst Muslime. Jetzt ist ihr Leben ausgelöscht.

Und ich denke an die, die um sie trauern: die Mütter und Väter der Opfer, ihre Kinder und Schwestern und Brüder und Freunde.

 

Ich kann mir kaum vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn so ein Schicksalsschlag buchstäblich aus heiterem Himmel über einen kommt. Auf einmal ist alles anders. Das gemeinsame Leben zu Ende oder jedenfalls völlig aus den Fugen. Ich weiß nicht, was einen trösten könnte in so einer Situation.

 

Als Christin glaube ich, dass auch die Toten in Gottes Hand sind. Auch diese Toten. Die Angst ihrer letzten Minuten, ihre Tränen – das wird er wegwischen. Bei ihm sind sie geborgen.  Das glaube ich fest.

Aber ist das ein Trost? Für die, die ihnen nahe standen? Ich glaube nicht. Im Moment gibt es wohl nichts, was da trösten könnte. Ich hoffe für die trauernden Menschen in Paris, dass andere ihnen beistehen. Dass sie diese Trostlosigkeit mit ihnen aushalten. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Das klingt wie eine Binsenwahrheit – aber wer einmal verzweifelt und traurig war, der weiß, wie sehr das hilft: Ein anderer Mensch, der mit mir aushält. Ohne viele Worte. Ohne zu versuchen, etwas zu erklären. Einfach aushalten.

Und ich hoffe, dass sie doch spüren können, wie nah Gott denen ist, die verzweifelt sind und traurig. Auch wenn es zuerst ganz anders aussieht.

 

Ob wir hier in Deutschland jetzt überhaupt etwas tun können? Wo wir doch so weit weg sind? - Ja, ich glaube, wir können und müssen einander beistehen. Den Trauernden, damit sie nicht allein sind mit ihrem Schmerz.

Aber ich glaube, wir müssen uns auch in unserem Land und überall auf der Welt gegenseitig beistehen. Wir müssen und können aufeinander aufpassen. Damit die Angst uns nicht überwältigt oder gar hassen lässt. Damit es uns nicht blind und kopflos macht, was passiert ist. Die Verbrecher dort in Paris und anderswo: Sie können sich nicht auf ihre Religion berufen. Keine Religion in der Welt rechtfertigt solche Gemetzel wie in Paris. Und die das behaupten sind verbrecherische Fanatiker. Die dürfen nicht den Sieg davon tragen. Denen darf es nicht gelingen, dass unsere freie und demokratische Welt aus lauter Angst unfrei wird und wir Menschen einander feind. Dass wir vor allem nicht misstrauisch und feindlich gegen die werden, die vor diesem Terror zu uns geflüchtet sind.

 

Martin Luther King, ein schwarzer Bürgerrechtler in den USA war selbst mehr als einmal Opfer von Verfolgung und Terror. Er hat einmal gesagt: „Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine große, segnende Kraft gibt, die Gott heißt.“

 

Daran möchte ich festhalten. Und Gott nicht all das in die Schuhe schieben, was Menschen einander antun. Damit wir das schaffen, müssen wir einander beistehen, glaube ich. Gegen die Angst. Und uns immer wieder klar machen: Was geschehen ist, ist schrecklich. Und wir haben  Grund, Angst zu haben. Aber wir wollen uns nicht lähmen lassen, sondern tun, was hilft, damit Menschen auch in Zukunft frei und ohne Angst zusammen leben können.

 

Daran hat mich ein Gebet erinnert, das ich in meinem Gesangbuch gefunden habe. Das heißt:

Gott – mittenhinein in die Schatten der Angst rufst du uns zu: „Fürchtet euch nicht“. Und versprichst uns Zuversicht inmitten von Verzweiflung, Aufbruch inmitten von Resignation, Mut inmitten von Bedrängnis. „Fürchtet euch nicht!“ rufst du, Gott uns zu, damit auch wir dafür eintreten und es laut weitersagen: Die Angst hat nicht das letzte Wort. Befreites Leben ist möglich. „Fürchtet euch nicht!“ (Evangelisches Gesangbuch, S. 1472)

 

Ich wünsche Ihnen Segen für die neue Woche.

18.06.2015
Pfarrerin Lucie Panzer