Hals- und Beinbruch

Morgenandacht
Hals- und Beinbruch
16.04.2019 - 06:35
14.02.2019
Autor des Textes: Klaus Priesmeier
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„Hals- und Beinbruch!“ ruft man sich zu – und meint genau das Gegenteil. Es soll gut gehen, Gefahr überwunden werden. „Wird schon gut gehen…“ sagen wir, und gehen davon aus, dass das meistens auch stimmt. Meistens, nicht immer…aber es wird doch nicht heute und nicht bei mir schief gehen. Passt schon!

 

So denken die meisten. Leben ist ein Gemisch von Risikobereitschaft, Waghalsigkeit und Vorsicht. Und weiter geht‘s. Das funktioniert, weil Leben mehr ist als Risikobewusstsein – nämlich ein Bewahrtwerden, ein Behütet-Sein. Darauf hoffe ich, setze ich – absolute Sicherheit gibt das nicht.

 

„Hals- und Beinbruch“, die Redewendung mag aber auch vom jiddischen „hatslokhe u brokhe“ herkommen, was so viel bedeutet wie: gesegnetes Gelingen! Dann wäre an eine drohende Gefahr dabei kaum gedacht. Das Vertrauen in Gott wäre größer als eine drohende Gefahr. Doch dass Leben überhaupt Mut und Vertrauen braucht, zeigt, wie wenig selbstverständlich das Gelingen ist. Und mancher ersetzt sein Vertrauen lieber durch Sicherheit, vorsichtshalber, jederzeit Sicherheit, das ist darum ein durchaus beachtetes Prinzip.

 

„Hals- und Beinbruch“ rufe ich also fröhlich, und ich nehme es wie ein Antimittel gerade gegen das, was mir da über die Lippen kam. Gegen Hals- und Beinbruch. Ja, ich weiß, es ist nicht ungefährlich – doch ich wage es. Das Spiel mit dem Risiko, und zugleich der Wunsch nach „jederzeit Sicherheit“. Eine Gratwanderung.

 

Als ich jung war, nervten mich die Sprüche der Alten: Sieh dich vor, pass auf, dass bloß nichts passiert! „Mama, mir passiert schon nichts!“ – das ist wohl einer der häufigsten Sätze in Familien. Mir passiert schon nichts. So hoffen wir, und so leben wir. Wie auch sonst. Und wissen doch – jedenfalls wenn wir ein paar Jahre älter geworden sind: Es kann doch was passieren.

 

Welches Bild habe ich von mir? Bin ich einer, dem sowieso nichts passiert? Oder doch einer, dem etwas passieren kann? Bin ich einer, der schon selber auf sich acht gibt? Oder doch einer, der bei aller Selbstsorge auch den Blick und die Hand der anderen braucht?

Mache ich mein Leben und meine Sicherheit nur selber, oder brauche auch ich so etwas wie Sicherheits- und Lebenspartnerschaften, in denen Menschen aufeinander Acht geben und füreinander einstehen?

Es scheint gängig zu sein, dass jeder auf sich achtet. Und angesagt ist, dass jeder für sich sorgt. Aber daraus wird leicht ein „me first“, eine eisige Kultur. Damit das nicht passiert, braucht es mehr. Wir sind nicht die, mit denen allein Leben beginnt und Leben endet. Und eine Kultur, die „me first“ nur mit Macht, Erfolg, Sex und Geld übersetzt, die wird unmenschlich. Denn sie verführt zu einem Gotteswahn unserer selbst – die zu sein, die selbstverständlich obenauf sind und bleiben. Diesem Wahn frönen auch solche, die ansonsten Gott erklärtermaßen für überholt und erledigt halten. Ein Gotteswahn ist es aber auch, die Übereinstimmung meines eigenen Erfolges mit Gottes Willen für selbstverständlich zu nehmen – Gott ist doch an meiner Seite. Beide Haltungen machen auf je ihre Weise Menschen zu unglücklichen Göttern statt zu wahren Menschen. Sie lassen uns vorbeilaufen an denen, die wir tatsächlich sind.

 

Jederzeit Erfolg und Sicherheit – das gibt es nicht. Die Passionsgeschichte, Jesu Leidensweg, zeigt eine andere Art zu leben. Ja, es gibt mehr – noch eine ganz andere Macht, die gut leben lässt. Es gibt die fröhliche Lust Gottes an unserem Leben, in der er uns nicht loslässt. Es gibt eine vielleicht ungeahnte Freude an dem, was ich habe, ohne dessen sicher zu sein.

Das ist die Macht der Liebe, die nicht für sich selbst sichert, sondern hingibt und verschenkt. Das ist die Lust am Leben, die es wagt, statt es festzuhalten. Das ist die unbändige Freude an dem, was Gott mit uns teilt, damit wir es untereinander teilen. Und Jesus sagt: wer die Angst um nur die eigene Sicherheit loslässt, der wird eine ganz neue Sicherheit und Freude erfahren, er wird das Leben finden. Denn der Gott, der für unser Leben einsteht, wird ihn finden. Na dann: Hals- und Beinbruch!

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

14.02.2019
Autor des Textes: Klaus Priesmeier