Hoffen und Handeln

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Monika Grabkowska

Hoffen und Handeln
11.05.2022 - 06:35
29.01.2022
Claudia Aue
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Der Einkaufswagen ist randvoll, zuhause sind die Plakate gemalt. Fehlt nur noch der Zucker. Die Sechstklässlerinnen wollen Teig anrühren. Sie wollen Waffeln verkaufen und die Einnahmen für die Ukraine spenden und ihre Kriegsopfer. Sie hatten sich so hilflos gefühlt. Jetzt suchen sie voller Energie Zutaten für Waffelteig zusammen.

Drei Tage später: Die erste Runde ist geschafft. Sie strahlen und wischen sich die klebrigen Finger kurz ab, um noch die letzten Waffeln zu backen. Die Sechstklässler haben in jeder Pause Waffeln und Stoff-Friedenstauben verkauft. „Kommt einem ja ein bisschen mickrig vor gegen all die großen Ukraine-Aktionen“, sagt die eine. „Aber wir wollten unbedingt etwas tun“. Sie haben viele Nachrichten aus der Ukraine gesehen. Darüber gesprochen, zu Hause und mit ihrer Lehrerin. Und verstanden, dass der Krieg wohl länger dauern wird und die Menschen nicht nach Hause können. Sie leiden mit den geflüchteten Kindern und Eltern, mit den kämpfenden Männern und Frauen und mit den im Bunker Ausharrenden. Jetzt planen sie schon mit heißen Köpfen die nächste Aktion.

Ein Mini-Lichtblick waren vielleicht auch die Osterkuchen für die Soldaten. Die Frau lächelt tapfer in die Kamera. Sie trägt eine Uniform. Es wird nicht erzählt, was sie an der Front tut. Aber sie erzählt von den Osterkuchen, die beim orthodoxen Osterfest geweiht und dann von der ganzen Familie gegessen werden. Ihre Mutter könne sie zwar in diesem Jahr nicht besuchen, aber ihre Familie sei hier zusammen – sie zeigt auf die anderen Soldaten, verschwommen im Hintergrund. Die in Plastik eingeschweißten Osterkuchen glitzern trotzig gegen die grünen Uniformen. Vielleicht hat mancher sie aufbewahrt, um den Ostergeschmack nicht zu vergessen.

Denn da an der Front, so fürchte ich, mit der Hand an der Waffe und in ständiger Todesgefahr – da kann es nicht nach Ostern schmecken, nicht nach Auferstehung und Hoffnung. Der Geschmack von Ostern, manchmal verblasst er im bedrohlichen Alltag oder ist gar nicht spürbar - an der Front.

Manchmal ist er aber plötzlich da, auch da, wo keiner ihn erwartet: Wie bei den Jüngern, die kilometerweit mit dem Auferstandenen liefen. Aber erst beim gemeinsamen Brotessen erkannten sie, dass er es ist. Der Auferstandene. Auf einmal sitzt er mit ihnen am Tisch, nimmt ihnen ein kleines bisschen von ihrer Trauer, lässt sie aufatmen und neu hoffen. Wenig später schon hat die Angst die Jünger wieder im Griff. Verständlicherweise. Aber den Geschmack von Ostern haben sie noch auf der Zunge. Nehmen ihn mit in die kommenden schweren Tage, in denen sie oft sehr ratlos und hilflos sein werden. Zurückgelassen und einsam.

Gemeinsames Brotbrechen und –Essen kennen wir als Christinnen und Christen seit jeher - die vertrauten Worte und Gesten lassen eintauchen in das stärkende Abendmahl. Wegzehrung hin zum Frieden, ohne Hass und Gewalt, ohne Waffen und Tod.

Der Geschmack von Ostern scheint im nüchternen, oft harten Alltag schnell zu verblassen. Aber die Waffeln in Norddeutschland und Osterkuchen für die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten erzählen davon, dass es andere Farben gibt als die des Krieges. Sie erzählen davon, solidarisch zu sein. Sie erzählen davon, sich gemeinsam daran zu erinnern, wie Ostern einmal war – und hoffentlich wieder werden kann. Der Geschmack von Ostern. Erinnern an damals, als der Stein vom Grab weggerollt war und es weiter ging.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

29.01.2022
Claudia Aue