Im spirituellen Fitness-Studio

Morgenandacht
Im spirituellen Fitness-Studio
20.09.2018 - 06:35
04.07.2018
Julia Heyde de López
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Sie sind zwei spirituelle Kraftpakete. Und gute Freunde: Seine Heiligkeit der Dalai Lama und der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu. Gemeinsam haben sie ein Buch veröffentlicht: „Das Buch der Freude“. Sie sprechen darin über Wege zu innerer Freude, die die Kraft hat zu verändern – mich selbst und die Welt um mich herum. „Tag für Tag, in jedem Augenblick können wir nicht nur unser eigenes Leben, sondern auch die Lebensqualität anderer Menschen auf unserem Planeten formen und erneuern. Wir verfügen über diese Macht“, schreiben sie.

 

Was es dafür braucht? Ein gutes geistiges Immunsystem. Und spirituelle Muskeln. Doch die entstehen nicht über Nacht. Sie müssen trainiert werden. Im spirituellen Fitness-Studio sozusagen – also im Gebet, im Stillewerden, in der Meditation.

 

Spirituelle Muskelkraft ist ungeheuer wichtig, das habe ich sofort verstanden, denn mein Leben kommt mir manchmal vor wie ein Marathon. Ich weiß, was ich brauche, um ihn zu bestehen: Nur leichtes Gepäck, Ausdauer, Gelassenheit und Freude natürlich. Aber das ist leichter gesagt als umgesetzt. Zu oft überkommen mich Ängste und Sorgen.

 

Mehrere Wochen musste ich auf eine Operation warten. Und mit ihr auf eine Diagnose. Das waren dunkle Tage und schlaflose Nächte, in denen meine Gedanken kreisten und ich niedergeschlagen war. Mit einem Rucksack voller Sorgen und Steinchen im Schuh versuchte ich, meinen Marathon zu machen. Ziemlich aussichtslos.

 

Ein spirituelles Trainingsprogramm ist da hilfreich – auch unter normalen Umständen. Für mich gehört vor allem eine biblische Disziplin dazu, die ich in einem Apostelwort entdeckt habe. „All eure Sorge werft auf Ihn, denn Er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5,7) Es heißt: „Werft!“ Kaum zufällig. Das klingt für mich ebenso eindeutig wie richtig sportlich.

 

Aus meiner kurzen Leichtathletik-Karriere zu Schulzeiten weiß ich: Ein guter Wurf ist nie halbherzig. Er braucht Entschlossenheit, hat Richtung, Ziel und Schwung. Gar nicht einfach. Aber genau deshalb hat das „Werfen“ viel gemeinsam mit dem Vertrauen auf Gott. Dass ich weiß, Er fängt alles auf, stille und laute Gebete, alles, was mich beschwert, alle Ängste und Sorgen, letztlich sogar mich selbst. Und ich habe die Zusage, dass Er für mich sorgt. Ich bin nicht allein, wenn ich durch ein finsteres Tal wandern muss. Das habe ich gespürt, als ich auf meine Diagnose warten musste.

 

Und ich habe noch etwas erfahren, worauf Desmond Tutu und der Dalai Lama in ihrem Buch ebenfalls hinweisen. Nämlich, dass man Traurigkeit und Schmerz nicht verstecken muss. Dass man sich verletzlich zeigen darf, und dass manche Beziehungen sich dadurch sogar vertiefen. Schmerz und Leiden und Traurigkeit gehören zum Leben genauso dazu wie große Freude und Liebe. Worauf es ankommt, ist: anzufangen sich selbst und andere zu verstehen.

 

Wer seine spirituellen Muskeln trainiert, übt Achtsamkeit mit sich selbst. Und im nächsten Schritt auch Anderen gegenüber. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, denn er ist wie du.“ Der Blick weg von sich selbst, hin zu anderen Menschen ist unglaublich heilsam, sagen Desmond Tutu und der Dalai Lama.

 

Eins ist mir ganz klar geworden: Spiritualität ist nichts Abgehobenes, was man höchstens im Kloster oder in einer Kirche erleben kann. Sondern sie ist eng verwoben mit meinem Alltag. Dort wird sie auch am meisten gebraucht. Dort soll sie gelebt werden. Im Alltag lassen sich Vergebung, Dankbarkeit und Mitgefühl proben, drei Eigenschaften, die weitertragen auf dem Weg der Freude, so die beiden Autoren.

 

Spirituell leben bedeutet, Augen, Geist und Herz zu öffnen – für mich selbst, für Andere, für Gott, und damit für die Freude. Dieser Weg ist nicht immer einfach, aber dafür lässt sich ja trainieren. Damit Ärger, Wut, Einsamkeit und Verzweiflung mir nicht so viel anhaben können.

 

Desmond Tutu und der Dalai Lama haben noch eine gute Nachricht. Für den Fall, dass es mit der Spiritualität und der Freude mal nicht so klappt: „Jeder Tag ist eine Gelegenheit, wieder neu zu beginnen. Jeder Tag ist unser Geburtstag.“

 


Dalai Lama, Desmond Tutu, Douglas Abrams: „Das Buch der Freude“, Lotos, 2016

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

04.07.2018
Julia Heyde de López