Janus

Morgenandacht

Foto: Thomas Dörken-Kucharz

Janus
09.01.2017 - 06:35
08.01.2017
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz

Der Januar und das neue Jahr sind nun schon einige Tage alt. Seinen Namen hat der Januar vom alten, wenn nicht ältesten römischen Gott, von Janus. Und der 9. Januar war im römischen Kalender jährlich der Fest- und Feiertag des Janus. Dieser Gott Janus hat zwei Köpfe und zwei, manchmal auch vier Gesichter. Auf römischen Münzen wird er meist mit zwei Gesichtern dargestellt. Sein eines Gesicht blickt nach vorn, sein anderes nach hinten, oder ein Gesicht blickt nach rechts und das andere nach links. Daher kommt das Wort janusköpfig für zwiespältig. Bei den Römern aber war Janus nicht der Gott der Zwiespältigkeit, im Gegenteil. Er war der Gott der Anfänge, durch ihn waren alle Anfänge heilig. Deshalb heißt auch der erste Monat des Jahres nach ihm.

 

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,

der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

 

schrieb Hermann Hesse mehr als zweitausend Jahre später in seinem berühmten Gedicht „Stufen“. Es klingt wie ein Reflex auf Janus, diese uralte römische Gottheit. Doch Janus war nicht nur der Gott des Anfangs, er war auch der Gott des Endes. Und er war der Gott aller Übergänge und Durchgänge, aller Schwellen und Türen. Dort fand sich regelmäßig sein Bildnis.

 

Während fast alle anderen römischen Götter Vorläufer und Vorbilder im griechischen Olymp hatten, gehört Janus ganz nach Rom, die Griechen kannten keinen solchen Gott. Weil aber die Römer die griechischen Götter so attraktiv fanden, ist auch schon zu römischer Zeit vieles über Janus in Vergessenheit geraten. Seine Themen und Zuständigkeitsbereiche aber sind von alters her bis heute religiös besetzt geblieben. Zum Glück! Denn das gehört zutiefst zu uns Menschen. Ob Geburt oder Tod, Erwachsenwerden oder Hochzeit: das sind auch heute Übergänge und Anfänge, die man gern und richtig mit Gott begeht: Taufe und kirchliche Bestattung, Konfirmation und Trauung. Oder die Jahresschlussandacht zum Ende des alten und der Neujahrsgottesdienst zum Beginn des neuen Kalenderjahres.

 

Ja, sogar die tägliche Morgenandacht im Deutschlandfunk, – also auch diese jetzt – bezieht sich darauf: Der Tagesbeginn ist ein Anfang. Und jeder Anfang sollte Gott gehören, weil jede und jeder seinen Segen braucht und alle Menschen gut anfangen wollen. Was auch immer genau Thema einer der täglichen Morgenandacht im Radio ist: Allein schon dass es sie gibt und Menschen zuhören, verspricht: Dieser Tag beginnt mit Gott und jeder einzelne möge mit dem Segen Gottes in und durch diesen Tag kommen.

 

Der jüdische Glauben bringt den täglichen Anfang mit Gott an den Türpfosten der Häuser in Erinnerung. Dazu ist an jedem jüdischen Haus die sogenannte „Mesusa“ [ˌmezuˈzaː] angebracht. Das ist ein Kästchen mit einer winzigen Pergamentrolle, auf der das Glaubensbekenntnis Israels geschrieben ist. Verlassen Juden ihre Wohnung, so berühren sie dieses Kästchen, die Mesusa, mit den Fingerspitzen, küssen diese dann und sprechen die Worte: „Gott schütze mich bei meinem Fortgehen und bei meinem Ankommen, jetzt und in Ewigkeit“.

 

Diese jüdische Tür-Andacht ist bis heute selbstverständlich beim Verlassen des Hauses genauso wie beim Eintreten. Sie zitiert den 121. Psalm der Bibel. Und dessen Worte mögen heute am Anfang dieses Tages stehen und Sie begleiten:

 

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.

Woher kommt mir Hilfe?

2 Meine Hilfe kommt von GOTT,

der Himmel und Erde gemacht hat.

3 Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen,

und der dich behütet, schläft nicht.

4 Siehe, der Hüter Israels

schläft und schlummert nicht.

5 GOTT behütet dich;

GOTT ist dein Schatten über deiner rechten Hand,

6 dass dich des Tages die Sonne nicht steche

noch der Mond des Nachts.

7 GOTT behüte dich vor allem Übel,

er behüte deine Seele.

8 GOTT behüte deinen Ausgang und Eingang

von nun an bis in Ewigkeit!

08.01.2017
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz