Krummes Holz

Morgenandacht
Krummes Holz
04.01.2021 - 06:35
05.01.2021
Jörg Machel
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Es war zu der Zeit, als Gott noch direkt mit den Menschen sprach. Da schickte er Jeremia, seinen Boten, in eine Töpferwerkstatt, um ihm seinen Auftrag zu erklären. Dort sah der Prophet wie der Töpfer seine Gefäße formte und wenn ihm eines misslang, so drückte er den Ton zusammen und formte es neu. Und das sollte Jeremia seinen Leuten sagen: Wenn ihr euch nicht anständig benehmt, so wird Gott mit euch genauso verfahren.

 

Ein gutes Beispiel für schwarze Pädagogik. Über Angstmache formt man folgsame Kinder. Die Methode hatte Konjunktur über Jahrhunderte und ein paar Anhänger finden sich noch immer. Die meisten Menschen aber haben begriffen, dass das nicht funktioniert. Angst ist ein schlechter Erzieher. Die Leute parieren, aber sie parieren aus Angst, nicht aus Einsicht. Und sie laufen aus dem Ruder, sobald die Kontrolle nachlässt.

 

Eigentlich hätte Gott das wissen müssen. Denn mit dieser Methode ist er schon einmal gescheitert. Ganz am Beginn der Menschheitsgeschichte wollte er das Böse durch eine Sintflut auslöschen. Alle Bösen werden ersäuft, nur die Familie von Noah darf sich retten, nur sie hat die göttliche Qualitätskontrolle passiert. Doch schon während Gott die Überlebenden auf der Arche beobachtete, scheint ihm klar geworden zu sein: wer das Böse ausrotten will müsste die gesamte Menschheit umbringen. Auch auf der rettenden Arche benahmen sich die Menschen, wie Menschen sich nun einmal in Stresssituationen benehmen. Es gab Missgunst, Neid und Streit. Niemanden hätte Gott überleben lassen dürfen, wenn es ihm um eine Menschheit ohne Fehl und Tadel gegangen wäre. So hat er das Menschengeschlecht einfach nicht geschaffen.

 

Nach dem misslungenen Großreinemachen gab Gott das Versprechen, nie wieder mit einer solchen Massenvernichtung zu drohen. Als Zeichen, dass er es ernst meinte, setzte er den Regenbogen ins Firmament.

 

Und nun diese schwarze Pädagogik mit dem Töpfer, der Misslungenes zusammendrückt. Hat Gott den Regenbogen vergessen? Wieder das alte Lied: Entweder ihr benehmt euch oder ich stampfe euch zusammen…

 

Mir kommen ganz andere Bilder in den Sinn, wenn ich mich in der Töpferstube umsehe. Ich verstehe gar nicht, wie man auf den Gedanken kommen kann, dem Ton zu drohen. Der ist nur Material in der Hand des Meisters. Nicht dem Ton ist vorzuwerfen, wenn er aus der Form gerät. Ich frage vielmehr, ob nicht der Töpfer Schuld ist? Kann es sein, dass wir Menschen einfach daran scheitern, dass uns der Schöpfer nun einmal so unvollkommen geschaffen hat? Wir also letzten Endes an unserer unvollkommenen Machart scheitern? Damit bliebe uns Menschen allerdings nur das Scheitern und die Unvollkommenheit. Das wären düstere Aussichten.

 

Jedenfalls: alles zusammenkneten und neu anfangen ist keine gute Idee, finde ich. Vielleicht führt ein anderer Weg zum Ziel. Auch davon erzählt die Bibel. Da ist zum Beispiel ein Zolleintreiber, mit dem keiner etwas zu tun haben möchte. Und ausgerechnet bei dem lädt sich Jesus zu einem Gastmahl ein. Und genau dadurch befreit er ihn aus dem Käfig der Selbstbezogenheit. Mit schwarzer Pädagogik kommt der Mensch nicht zu sich selbst. Nur dann hat er eine Chance auf freie Entfaltung, wenn er Wertschätzung erfährt, vor aller Leistung und trotz aller Schuld. Wenn er den Selbsthass über die eigene Unvollkommenheit hinter sich lässt und an die eigene Würde zu glauben beginnt. Helmut Gollwitzer hat den Menschen in der Zusammenfügung von zwei Gegensätzen so beschrieben: Krummes Holz, aufrechter Gang. Ich glaube – zwischen diesen beiden Polen bewegen wir uns.

 

05.01.2021
Jörg Machel