Langeweile: nein danke

Morgenandacht
Langeweile: nein danke
12.07.2017 - 06:35
10.07.2017
Pfarrerin Gabriele Herbst

Mit zwölf Jahren ist Jesus von seinen Eltern ausgerissen. Er wollte im Jerusalemer Tempel mit jüdischen Gelehrten und Priestern diskutieren. Worüber konkret gesprochen wurde, weiß man nicht. Berichtet wird, dass Jesus zuhörte und Fragen stellte.

Das muss den pubertierenden Jungen brennend interessiert haben. Umsonst reißt keiner in Richtung Tempel oder Kirche aus. Nicht einmal Jesus.

 

Wenn ich heute Kinder und Jugendliche nach ihrer Meinung zur Kirche befrage, erzählen viele begeistert von schönen Veranstaltungen und Gottesdiensten.

Andere antworten mit Augenrollen. Langweilig, sagen sie. Selten gibt es einen Kindergottesdienst. Wir werden kaum gefragt, wie wir uns Kirche wünschen. Wir würden gern andere Lieder singen, auch mal was Lustiges hören. Wir möchten auch mal für die Erwachsenen predigen und die Räume der Kirchen farbiger machen. Vieles von dem, was die Pfarrer sagen, verstehen wir nicht. Wie kann Gott alle Kinder lieben, wenn täglich Kinder verhungern? Wie kann er ihre Namen kennen und es doch zulassen, dass Flüchtlingskinder im Meer grausam ertrinken? Das passt nicht zusammen!

Und so finden manche Kinder Kirche irgendwann nicht nur langweilig, sondern auch unwahrhaftig.

 

Wenn mein achtjähriger Enkelsohn wissen will, ob Gott wirklich allmächtig sein kann, wie in den Kirchen immer gesagt wird, bin ich stolz auf diesen nachdenklichen Kerl. Er zieht das Fragen der Langeweile und dem Desinteresse vor. Mich interessiert, was er und andere Kinder fragen. Und es fordert mich heraus, Antwort zu geben:

 

Ich glaube nicht an die Allmacht Gotte , antworte ich ihm. Aber ich glaube an seine Macht. Gott ist sehr mächtig. Er kann lieben bis zum Umfallen und damit eine Menge tun und verändern bei uns und in der Welt. Aber seine Macht endet, wenn ihn jemand absolut nicht in sein Herz lassen will. Wo ein Mensch sagt, ich brauch dich nicht, Gott. Und die anderen brauch ich auch nicht. Wenn ein Mensch das sagt, kann es sehr kalt um ihn herum werden. Und er kann sich leicht mit dem Virus des Hasses oder der Gleichgültigkeit anstecken. Daraus entstehen Kriege, Leid und Unrecht.

 

95 Wünsche an eine Kirche für heute und morgen habe ich für das Reformationsjubiläum gesammelt. Es waren mehrere dabei, die sich um Kinder und Kirche drehten.

 

Eine Juristin schrieb:

 

ICH WÜNSCHE MIR EINE KIRCHE, DIE KINDERFREUNDLICH IST. IN DER KINDER UND JUGENDLICHE MEHR EINFLUSS NEHMEN UND MITBESTIMMEN DÜRFEN.

 

Ich unterstreiche diesen Wunsch mit Nachdruck. Und will dafür tun, was ich kann. Zum Beispiel mit einem Buchprojekt in einer evangelischen Grundschule. Mit Lehrerinnen und Kindern im Alter von 6 – 10 Jahren entstand das Buch „I have a dream about a new church“ (Ich habe einen Traum von einer neuen Kirche). Wir befragten auch Kinder aus unserem Partnerland Tansania.

 

Gerade ist das zweisprachige Buch fertig geworden. Wie stolz die Kinder darauf sind! Es ist mit seinen farbenfrohen Bildern, den fröhlichen, aber auch kritischen Antworten eine Fundgrube für Menschen, die Kindern in der Kirche gerecht werden wollen.

 

Die Kinder selbst wissen nämlich sehr gut, wie sie sich die Kirche wünschen:

„Sie soll schön sein und gut riechen. Sie soll schlicht und gerecht sein. Sie soll moderner und cooler sein. In ihr sollte es lustiger zugehen. Sie soll spannender sein. Alte Menschen und Kinder sollen mitbestimmen können. Sie soll nicht mehr so streng sein und nicht so viele gruselige Bilder und Figuren in ihren Räumen haben. Ein tansanisches Mädchen wünscht sich, dass einer den anderen am Sonntag zur Kirche einfach mitnehmen soll.

 

Das Vorwort zum Buch mit den Kinderwünschen hat Landesbischof Bedford Strohm geschrieben. Er findet: „es ist eine gute Idee, sehr genau aufzunehmen, was Kinder über die Kirche der Zukunft zu sagen haben.“ Und wünscht sich: „Mögen die Gedanken der Kinder die Herzen der Erwachsenen berühren und sie in Bewegung setzen.“

10.07.2017
Pfarrerin Gabriele Herbst