Leuchtet!

Morgenandacht
Leuchtet!
21.12.2020 - 06:35
20.12.2020
Evamaria Bohle
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum Nachlesen: 

Heute ist Wintersonnenwende. Der kürzeste Tag des Jahres, die längste Nacht. Die Sonne auf der Nordhalbkugel kommt nur auf ihrem Minimum über den Horizont. Und kaum noch an gegen Kälte und Dunkelheit. Winteranfang. Wie immer fabulieren ein paar Weitsichtige vom Frühling und machen darauf aufmerksam, dass bald die Tage wieder länger werden.

 

Bei mir und anderen Normalsichtigen ist langsam der Akku leer und Finsternis droht über den Displays. Wir hamstern Kerzen, hüten Teelichte und suchen nach Streichhölzern. Feuerzeug geht auch. Derweil fährt der Geist Schlitten mit der Hoffnung. Unter den Kufen singt der Kinderglaube: „Blinke, blinke, kleiner Stern.“

 

Heute ist Wintersonnenwende. Der kürzeste Tag des Jahres. Geografisch ist das nur die halbe Wahrheit. Denn heute beginnt für die andere Hälfte der Welt der Sommer. Nur am Äquator ist alles wie immer. Planetenalltag eben. Der Kosmos kennt seinen Rhythmus.  Er dreht die Menschen im Kreis, um sich selbst und um die Sonne. Gott erschuf sie erst am vierten Tag, erzählt man sich in gewissen Kreisen. Manche lächeln dabei. Und weisen darauf hin, dass Gott in der alten Geschichte schon v o r Sonne, Mond und Sternen, am Anfang nämlich, sagt: „Es werde Licht!“ -  „Wie sehr ich auf diesen Anfang warte“, denkt der Geist, der gerne erleuchtet wäre. Er kauft dem Kinderglauben eine Taschenlampe.

 

Es ist dunkel. Die Zweifel blühen - Finsternis hat so viele Facetten. Dass die Wintersonnenwende Thomastag ist, das wusste man früher besser. Dieser Thomas, auf den der Tag verweist, gehört in der Bibel zum engsten Kreis um Jesus. Im Johannesevangelium nennt man ihn „den Zwilling“. Irritierend eigentlich. Denn ein anderer Zwilling kommt nicht vor. Thomas ist allein. Da ist eine Leere an seiner Seite. Er kennt sich aus mit Einsamkeit, stell ich mir vor. Ein Alpha ohne Omega. Ganz bestimmt kein Mitläufer. Unter den Zwölfen ein Solitär. Eigene Stimme, eigener Kopf. Eigensinnig.

 

Thomas zweifelt. Er will es genau wissen. Früh erkennt er, dass es mit „Bruder Jesus“ um Leben und Tod gehen wird. Und doch bleibt er bei ihm. Bis zum bitteren Ende. Oder war es ein Anfang? Da gehen die Meinungen auseinander.

 

Auferstanden von den Toten – Thomas begreift, fühlt das mehr, als er es denken und glauben kann. Er legt den Finger in die Wunde. Erst dann ist das Licht der Welt ihm zum Greifen nah, verklärt ihm die Schatten und lässt nicht zu, dass das Dunkel gewinnt. „Mein Herr und mein Gott“, staunt der einsame Thomas. Und der Geist mit seiner Taschenlampe auf dem Schlitten staunt mit. Licht scheint in die Dunkelheit. Die alten Worte strahlen aus.  

 

Heute ist Wintersonnenwende. Darauf kann man sich verlassen. Es ist der kostenlose Trost des Sonnensystems. Man kann mit ihm durch die Dunkelheit schaukeln. Und derweil das Gesicht in die Tageslichtlampe halten und täglich Vitamin D nehmen. Auf und ab geht die Schaukel. Nordhalbkugel, Südhalbkugel, hell und dunkel, warm und kalt.

 

Der Geist baumelt mit den Beinen: „Gott hat ein helles Strahlen in unsere Herzen gegeben“, zitiert er. Heute ist Thomastag. Zeit zu fühlen: Er ist tatsächlich auferstanden.  „This little light of mine“, singt der Kinderglaube mit der Taschenlampe jetzt, und Thomas sagt: „Mein Herr und mein Gott.“

 

Dann geht tatsächlich alles auf Anfang: Gott sagt: „Es werde Licht!“ Und alle Displays verwandeln sich in kleine Lagerfeuer, an denen Menschen zusammensitzen, mit warmen Händen und Herzen, und die Gegenwart Gottes umleuchtet sie.

 

Der Kinderglaube wächst über sich hinaus und sagt: „Fürchtet euch nicht! Jeder Einzelne von euch ist Licht der Welt! Seid es auch! Seid kleine und große Lichter, Funzeln, Schweinwerfer und - Feuerwerke.“ Heute ist Wintersonnenwende. Der kürzeste Tag des Jahres. Thomastag: Leuchtet!

20.12.2020
Evamaria Bohle