Luft und Geist

Morgenandacht
Luft und Geist
Luft ist ein faszinierender Stoff
20.03.2019 - 06:35
14.02.2019
Autor des Textes: Jost Mazuch
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Früh am Morgen. Ich öffne das Fenster. Luft strömt herein, und mit ihr die Geräusche der Stadt. Automotoren, Vogelstimmen. Ich atme tief ein. Die frische Luft macht mich wach.

Luft ist ein faszinierender Stoff. Immer ist sie da, selten nehme ich sie wahr. Ich kann sie nicht sehen, doch sie umgibt mich ständig, überall. Ich spüre ihren Hauch, ihre Bewegung auf meiner Haut. Immer und immer wieder strömt sie in mich herein, aus mir hinaus. Einatmen – ausatmen.

Unmittelbar nach der Geburt öffnete der erste Atemzug meine Lunge und entlud sich im ersten Schrei als Neugeborener. Seitdem atme ich. Unentwegt. Tag und Nacht. Ob ich will oder nicht. Nicht atmen geht nicht, allenfalls ganz kurz. Nur wenige Minuten lang kann ich den Atem anhalten, dann setzt  der Reflex ein, der mich am Leben hält. Atmen ist Leben; Leben heißt Atmen. Einatmen – ausatmen. Mein Leben lang. Bis ich am Ende, mit dem letzten Atemzug, mein Leben aushauchen werde.

Die Bibel erzählt ganz am Anfang in der alten Geschichte von der Schöpfung, wie Gott den ersten Menschen aus dem Staub der Erde formte. Und dann, so heißt es, blies er ihm den Atem des Lebens in seine Nase. Und so wurde der Mensch ein lebendiges Wesen. Eine schöne Vorstellung: dass der erste Mensch seinen Atem von Gott mitgeteilt bekam. Und seitdem geht das immer so weiter. Ausatmen – einatmen. Unser Atem – Gottes Atem in uns.

Wir Menschen teilen unseren Atem mit allen anderen lebendigen Wesen. Mit den Tieren, und auch mit den Pflanzen. Ja, der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid zwischen Bäumen und Menschen, zwischen Pflanzen und Tieren, hält den Strom des Lebens und der Energie auf unserer Erde in Gang. Ein labiles Gleichgewicht ist das, das wird uns zunehmend bewusst. Es ist gefährdet durch den hohen Ausstoß von Kohlendioxid aus der Verbrennung von Kohle, Gas und Erdöl. Eine kleine Änderung der Zusammensetzung unserer Atmosphäre, und die Temperaturen auf der Erde steigen an, mit all den Folgen, die jetzt sichtbar werden.

Die Luft, die wir atmen, ist kostbar. Zwölf Kubikmeter bewegt ein Mensch an jedem Tag durch die Lungen. Und obwohl Luft doch kaum etwas wiegt, sind das etwa 16 Kilogramm – weit mehr als unser Essen und Trinken zusammen.  Sie ist das wichtigste Lebensmittel. Umso erschreckender, was wir der Luft zumuten. Abgase und Verbrennungsrückstände aller Art entsorgen wir in die Atmosphäre in der Hoffnung, ein günstiger Wind werde das alles schon irgendwohin blasen. Doch das funktioniert nicht. Zwar verteilen sich die Schadstoffe, aber sie verschwinden ja nicht. Kein Wunder, dass gerade so eine heftige Auseinandersetzung darüber geführt wird, wie wir die Luft in unseren Städten vor gesundheitsschädlichen Belastungen bewahren können, vor Stickoxiden und Feinstaub. Wir sind es ja selbst, mit allen anderen Lebewesen zusammen, die das alles in uns aufnehmen, was unsere Autos, Flugzeuge, Schornsteine, Kraftwerke ausstoßen. Tag für Tag. Einatmen – ausatmen.

Ich will mich jeden Tag daran erinnern, wie kostbar die Luft ist. Früheren Zeiten erschien sie geradezu heilig, weil die Menschen Gottes Kraft darin erkannten. Darum steht in den alten Sprachen der Bibel dasselbe Wort für Lufthauch, Wind oder Atem – wie auch für den Geist Gottes, die schöpferische Kraft Gottes, die alles durchströmt und lebendig macht. Geist, der sich äußert in Sprache, in Worten und Tönen. Getragen von der Luft. In ihren Schwingungen formen sich Gedanken zu Worten, verlassen Worte den Mund, klingen durch die Luft, erreichen das Ohr. Gottes Geist bewegt Menschengeist. Inspiriert, beseelt, macht lebendig. Einatmen – ausatmen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

14.02.2019
Autor des Textes: Jost Mazuch