Me too! – Maria Magdalena

Morgenandacht
Me too! – Maria Magdalena
03.04.2018 - 06:35
01.03.2018
Angelika Obert
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„Me too!“ In dieser Debatte hätte die biblische Maria Magdalena wohl Einiges zu sagen. Ist sie doch Jahrhunderte lang von den Malern nur als Objekt der Begierde gesehen worden: auf vielen Bildern nackt oder halbnackt dargestellt: eine Verführerin. Romanautoren haben aus ihr die Geliebte Jesu gemacht. Es wäre ja auch sonst zu langweilig, die Jesusgeschichte ganz ohne Sex. Aber das sind Phantasien. Sie verdecken, was in der Bibel von der Maria aus Magdala wirklich gesagt wird: Sie war die Erste, die den auferstandenen Christus sah. In dieser Begegnung wurde sie zu einem freien Menschen, einer unabhängigen Frau. So hätte sie in Erinnerung bleiben müssen: als ein Urbild der österlichen Freiheit, die zuerst von einer Frau verstanden wurde.

 

Kein Mensch ist ja einfach von selbst ganz frei. Alle haben wir unsere inneren Antreiber oder auch Verhinderer, die uns irgendwie gefangen halten. Solange es einem gut damit geht, merkt man‘s nicht so. Aber Maria aus Magdala war wohl Eine, der es furchtbar schlecht damit ging. Davon erzählt die Bibel: Sie war sehr krank, als sie Jesus zum ersten Mal begegnete. Von sieben bösen Geistern besessen, heißt es. Was immer damit gemeint ist. Jedenfalls muss sie in den Augen der andern eine Verlorene gewesen sein, eine Wahnsinnige, und sich selbst auch so gefühlt haben. Unfähig zu leben, bis sie Jesus traf, der sie heilte. Mehr erfahren wir nicht, aber da kann man sich schon vorstellen, wie sehr sie an ihm gehangen haben muss. Ihm verdankte sie doch ihr Leben, in seiner Nähe war sie gesund. Mag sein, dass sie ohne ihn nun wirklich keinen Schritt mehr tun wollte.

 

Wie sollte sie noch weiterleben, als er am Kreuz starb? Mussten die bösen Geister da nicht wiederkommen? War es nicht verlockend, Jesus einfach in den Abgrund zu folgen? Wie es ganz anders kam, nur das wird ausführlich von Maria aus Magdala erzählt. Nur das ist am Ende wirklich wichtig:

 

Sie hält es nicht aus in ihrer Kammer. Sie muss dahin, wo Jesus ist, zum Grab. Noch mitten in der Nacht treibt es sie dahin, ganz allein in ihrer Verzweiflung und ganz allein ist sie auch mit dem Schrecken, als sie das Grab offen findet. Etwas muss passiert sein. Sie weiß nicht weiter, läuft zurück und holt die Männer zu Hilfe, Petrus und Johannes. Und die stürmen nun auch um die Wette los. Johannes findet im Grab die Tücher, Petrus die Kopfbinde – so werden sie es später erzählen und dass sie doch schon beinahe geglaubt hätten, bloß nichts verstanden.

 

Es ist Maria aus Magdala, die als Erste versteht. Ins Grab ist sie gar nicht mitgegangen. Weinend bleibt sie davor stehen, auch als die Männer schon wieder weg sind. Weinend starrt sie ins Dunkel der Grabeshöhle, wer weiß wie lange, bis mitten in der Schwärze ein weißes Licht erscheint. „Warum weinst du?“ fragt eine Stimme. „Warum weine ich?“ denkt sie und findet die Worte: „Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wo er ist.“

 

„Ich weiß nicht“, sagt sie und weiß doch im gleichen Augenblick: Sie muss sich umdrehen. Nicht länger ins Grab starren. In die andere Richtung gucken. Da steht auch wirklich jemand, sie denkt, es ist der Gärtner. Den kann sie fragen: „Hast du ihn weggenommen?“ Doch er ruft sie beim Namen: „Maria!“ Und da erkennt sie ihn: „Mein Lehrer!“ ruft sie, stürzt auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Doch seine Stimme hält sie zurück: „Rühr mich nicht an!“ Hart klingt das, abweisend. Doch ich glaube, für Maria aus Magdala ist gerade das der Augenblick, in dem ihre Freiheit beginnt. Sie versteht: Ich muss mich nicht anklammern, auch nicht an Jesus. Er ist da und mit mir wie die Luft und das Licht. Er macht mich lebendig, aber festhalten kann ich ihn nicht. Und das muss auch nicht länger sein. Sie ist drüber hinaus – raus aus allen Abhängigkeitsverhältnissen.

 

Von der Freiheit, die möglich ist, erzählen alle Ostergeschichten in der Bibel. Maria aus Magdala hat sie als Erste verstanden.

01.03.2018
Angelika Obert