Lumbung - genug für Alle

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ Marek Studzinski

Lumbung - genug für Alle
05.07.2022 - 06:35
11.06.2022
Cornelia Coenen-Marx
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Die Sendung zum Nachlesen: 

In Kassel auf der Documenta 15 steht eine nachgebaute Reisscheune. Über dem Flechtwerk des Dachs ist der blaue Himmel zu sehen. In solchen Scheunen lagert man die überschüssige Ernte, damit auch noch am Ende des Winters alle zu essen haben.  Sorge für das Gemeinwohl - Lumbung ist der indonesische Begriff dafür. Er gehört zu den Schlüsselworten der Kasseler Kunstausstellung. Die Documenta-Macher und Macherinnen sprechen von der „alternativen Ökonomie der Kollektivität“. Wo die Ressourcen gerecht verteilt werden heißt das, werden auch tragfähige Netzwerke für die Menschen geknüpft.

Was es bedeutet, wenn der Wohlstand ungleich verteilt ist, das spüren wir gerade: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird tiefer. Die Sorge wächst, dass am Ende eben nicht mehr alle auskommen.   Besonders deutlich wird das an den Tafeln. Bei 960 Tafeln in Deutschland retten die Engagierten überschüssige, noch immer einwandfreie Lebensmittel und verteilen sie an Menschen, die in Not sind. Pro Jahr sind es rund 265.000 Tonnen Lebensmittel, die an über 1,6 Millionen Menschen weitergegeben werden. Ehrenamtlich, mit viel Herz und Spaß. Aber die Überschüsse der Supermärkte sind nicht mehr so groß wie gewohnt. Die Energiepreise steigen, es wird teurer, Waren zu transportieren – viele müssen längst sparen und so bleibt weniger übrig für die Tafeln. Dabei steigt die Zahl der Bedürftigen: Rentnerinnen, Familien mit kleinen Kindern, Hartz-4-Empfänger und Geflüchtete aus der Ukraine. Sie stehen schon frühmorgens in der Warteschlange. Die Ehrenamtlichen an den Tafeln warnen: Sie können schon jetzt nicht mehr so viel geben, wie wirklich gebraucht wird.

Wer schon mal im Nahen Osten war, weiß, wie schnell es da dunkel wird. Es dauert oft nur eine halbe Stunde, bis über dem sonnigen Nachmittag die Nacht hereinfällt. So muss es auch an dem Abend gewesen sein, als Jesus mit ein paar Tausend Leuten in der Wüste war. Er hatte sie mit seinen Vorträgen begeistert; die Zeit war vergangen wie im Flug. Jetzt wurde es Abend an diesem unwirtlichen Ort. Die Leute brauchten Essen, Trinken, Schlafplätze. Es war höchste Zeit.  Während sie noch diskutierten, was zu tun war, sagt Jesus plötzlich wie selbstverständlich: „Gebt Ihr Ihnen zu essen“. Fangt einfach an. Tut, was ihr könnt.  Bringt mir, was Ihr habt – dann werden wir sehen.

Das ist das Prinzip Lumbung. Erstaunlich - am Ende reichen die Vorräte für alle. Von dem Überfluss der einen werden die anderen satt. Viele, die bei den Tafeln mitmachen, haben es genauso gemacht.

Jetzt aber reicht es nicht mehr – weder für die Armen hier noch in den Hungerregionen der Welt. Zeit, den Riss anzuschauen, der unsere Gesellschaft zerreißt, der unsere Welt zerreißt. Es kann nicht angehen, dass gerade jetzt in der Krise einige wenige immer reicher werden, während ein Fünftel der Gesellschaft vom eigenen Job nicht mehr leben kann. Es kann doch nicht sein, dass Russland den Weizen aus der Ukraine wegkarrt, während in Afrika ganze Regionen hungern. Es darf doch nicht sein, dass täglich 17.000 Tonnen Raps- und Sonnenblumenöl in Europas Auto-Motoren verbrannt werden (1).

Niemand müsste an Hunger sterben. Niemand müsste wegen der Mangelernährung krank werden. Es ist genug für alle da. Tatsächlich haben aber nicht nur die Armen Angst, zu kurz zu kommen – auch die, denen es im Weltmaßstab gut geht, fürchten um Wachstum und Wohlstand.

Dazu hat Jesus auch eine Scheunengeschichte erzählt. Die Geschichte vom reichen Kornbauern, dem seine Scheunen zu klein geworden waren. Er träumte davon, Vorrat zu lagern für viele Jahre – nicht nur für den nächsten Winter. Er träumte den Traum von „Wachstum bringt Wohlstand“. So ließ er die alte Scheune abreißen und investierte in eine größere. „Aber Gott sprach zu ihm: ‚Du Narr‘!“, heißt es in der Bibel. „Wenn du diese Nacht stirbst – wem gehört dann, was du angehäuft hast?“ Ein Virus genügt oder ein Kriegsausbruch – und plötzlich ist spürbar, wie zerstörerisch unsere Egomanie ist. Die Zukunft gewinnen wir nur gemeinsam. Und mit Lumbung.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Weitere Informationen zum Thema:

https://documenta-fifteen.de/lumbung/

 

Literaturangaben:

https://www.spiegel.de/auto/biodiesel-und-nahrungsmittelkrise-19-millionen-flaschen-sonnenblumenoel-landen-in-autotanks-taeglich-a-2e83f5f8-0471-4db6-a072-5e9481bd3253

 

 

11.06.2022
Cornelia Coenen-Marx