Nicht sehen und doch glauben

Morgenandacht
Nicht sehen und doch glauben
11.04.2015 - 06:35
03.04.2015
Pfarrer i.R. Burkhard Müller

„Du bist ein ungläubiger Thomas“, sagte jemand zu Bernd, als er irgendwas nicht glauben wollte. Und Bernd nickte kräftig. Genau, das war er: ein kritischer Ungläubiger. Unverbesserlich. Gerade in Sachen Religion. Und er war stolz darauf.

 

Zum Beispiel Ostern, die Auferweckung Jesu. Was kann geschehen, dass Bernd an so was glaubt?

 

Selbst wenn der auferstandene Christus vor ihm stünde, würde Bernd glauben? Nein, Bernd nicht. Er würde vermuten, das alles sei Trickserei!

 

Und wenn ihm der Auferstandene persönlich im Traum erschiene? Dann würde er am nächsten Morgen zu seiner Frau sagen: „Ich habe heute einen Unsinn geträumt: Mir ist der auferstandene Jesus erschienen.“ Und dann hätten sich beide kaputt gelacht.

 

Woher stammt eigentlich der Ausdruck „Ungläubiger Thomas“? Mithilfe des Internets findet Bernd die biblische Osterlegende, die von einem Thomas handelt. Die Legende geht ungefähr so:

 

Jesus ist vor ein paar Tagen getötet worden. Die Jünger sind tieftraurig. Sie haben Angst, man könne auch sie verhaften. Darum schließen sie die Türen fest zu. Sie sind beieinander, ohne Jesus. Der ist ja tot. Aber nein, plötzlich ist Jesus mitten unter ihnen. Er lebt.

 

Leider ist Thomas nicht dabei. Die Jünger erzählen es ihm später: „Jesus ist auferstanden, er war bei uns.“ „So“, sagt Thomas, „und das soll ich euch jetzt glauben? Nein, solange ich ihn nicht selbst gesehen habe und meine Hände in seine Wunden gelegt habe, werde ich das nicht glauben.“

 

Nach einer Woche: sie sind wieder zusammen. Die Türen sind fest verschlossen. Plötzlich ist Jesus mitten unter ihnen. Als ob er gehört hat, welche Probleme Thomas bewegen, sagt er zu ihm: „Komm, und leg deine Finger in meine Wunden. Und sei nicht ungläubig, sondern gläubig.“

 

Thomas ist wie gelähmt, er fasst den Körper des Auferstandenen mit seinen Händen nicht an. Ihm entfährt stattdessen der Bekenntnisruf: „Mein Herr und mein Gott“. Darauf Jesus: „Weil du mich gesehen hat, darum glaubst du. Selig sind die nicht sehen und doch glauben.“

 

Bernd guckt noch mal genau nach, ob mit diesem Satz die Geschichte schon zu Ende ist. Ja, so plötzlich hört sie auf: „Selig sind die nicht sehen und doch glauben.“

 

Ist das etwa die Pointe der Geschichte, ihre Botschaft? Dann ist, dass Jesus den Jüngern erscheint, nur der Nebeninhalt.

 

Und der Hauptinhalt wäre, dass er uns Späteren eben nicht erscheint. „Ihr werdet mich nicht sehen. Selig, wenn ihr trotzdem an mich glaubt.“

 

Für Bernd ist das wie eine Provokation. „Glaubt an mich, nur: sehen werdet ihr mich nicht.“

 

Was heißt überhaupt: „Glauben“? Heißt Glauben: etwas nicht wissen? Heißt Glauben: etwas vermuten? Oder heißt Glauben: jemandem vertrauen? Sich auf etwas fest verlassen?

 

Bernd denkt sich eine eigene Übersetzung aus: Glauben heißt: Ich weiß es nicht, aber ich gehe mal davon aus, dass es so ist. Er probiert seine Formulierung am Jesuswort aus: Selig sind, die mich nicht sehen, und doch so leben, als gäbe es mich.

 

Nicht schlecht! Glauben heißt: tu so als ob. Tu einfach mal so, als ob Jesus selbst zu dir sagt: mach dich nicht verrückt mit endlosen Sorgen: lerne von den Vögeln unter dem Himmel und ihrem leichten Flug. Bist du traurig, dann tu so, als ob Jesus dir selbst Trost zuspricht: selig sind die Traurigen, sie sollen getröstet werden. Tu einfach so, als ob Jesus dir die Geschichte vom barmherzigen Samariter erzählt, wenn du herausgefordert wirst, jemandem zu helfen, der deine Hilfe braucht. In einer schönen Stunde sprich – als ob er es hört – : „Danke, Herr, dass es mir so gut geht.“ Oder, wenn es dir ganz dreckig geht, tu einfach mal so, als ob er das hören könnte, was du ihm zu klagen hast. Tu einfach mal so, als ob er den betenden Gedanken zuhört.

 

So tun als ob. Das ist schon eine erste Form von echtem Glauben. Und alles in dieser Richtung findet Jesus gut: Denn: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

03.04.2015
Pfarrer i.R. Burkhard Müller