#sommertourderhoffnung und die Flut

Morgenandacht
#sommertourderhoffnung und die Flut
19.08.2021 - 06:35
10.08.2021
Petra Schulze
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Autorin: Kräftig ist er in die Pedale getreten, der neue Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel. Acht Tage lang ist er Anfang Juli durch das ganze Gebiet der Rheinischen Kirche gefahren. Durch drei Bundeslänger Saarland, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Dabei hat er Hoffnungsgeschichten gesammelt in den Kirchengemeinden und in der Diakonie. Mit schweren Beinen und vollem Herzen rollte er am 13. Juli ins Ziel der Sommertour der Hoffnung. Genau einen Tag später kamen der Starkregen, Hochwasser und die Flut, die alles mitriss – Menschen, Tiere, Gebäude, Straßen, Bäume. Hoffnung. Da wo idyllische Postkartenlandschaften waren – da ist durch das Hochwasser alles zerstört. Jetzt wird sie stärker denn je gebraucht: Hoffnung, die über das hinausträgt, was ich sehen kann. Präses Latzel hatte sich umgehend neu auf den Weg gemacht und die vom Unwetter betroffenen Gebiete besucht.

 

Präses Latzel: Wir waren jetzt in einem Gottesdienst, etwa in Sinzig, wo dieses schreckliche Unglück war in dem Wohnheim für Menschen mit Behinderung.  – Wenn Sie da von hinten so den Rücken eines großen Mannes sehen, der einfach nur noch zittert, einfach nur vor Weinen zittert; die Angehörigen zu sehen; der Bürgermeister, der dann da drin sitzt und sagt: Das ist die erste Zeit, wo ich jetzt mal klagen und weinen kann. Dann durch einen Ort zu gehen, als wir in Ehrang gewesen sind, wo wirklich das ganze Leben der Menschen auf der Straße liegt: die ganzen Einrichtungsgegenstände, die Matratzen, die so schwer sind, so vollgesaugt mit Wasser, dass man sie kaum schleppen kann und dann sagt eine Frau – das ist wirklich beeindruckend: „Ich hab nicht geheult als die Wasser kamen, aber (als) die Hilfe kam, da brachen sozusagen die inneren Dämme.“

 

Autorin: Wenn alle Dämme brechen und das Leben bedroht ist – woher kommt mir Hilfe:

 

Präses Latzel: Im Augenblick ist die erste Schockphase. Da ist die Erste Hilfe angesagt, überhaupt Menschen rauszuziehen aus dem Wasser. Da gibt es Menschen, die saßen 15 Stunden lang auf dem Baum drauf und konnten da hinten die Rettungskräfte sehen, aber die kamen nicht zu ihnen. Da waren ältere Leute, die wirklich über Tage sozusagen auf dem Dachboden ausgeharrt haben an der Stelle. Dann hat´s gestunken da einfach von diesen Sachen, wenn das Öl ausgelaufen ist. Und ich bin da mit einer Kollegin von der Notfallseelsorge durchgegangen mit dem Bollerwagen voll mit Kaffee und Brötchen und einfach nur gesagt: „viel Kraft!“. Das war der Ruf immer: „Viel Kraft!“

 

Autorin: Viel Kraft – zwei Wörter. Gegen ein Meer von Verzweiflung. Hoffnungsworte. Segensworte. Von Herz zu Herz gesprochen. Hineingesprochen in eine Situation, wo nicht nur das Fundament der Häuser erschüttert und aufgeweicht ist.

 

Präses Latzel: Ja, es ist ein tiefes Vertrauen darauf, gehalten zu sein, auch wenn auf einmal die Wasserfluten kommen. Das hat ja wirklich was von diesen Urfluten, von so Chaosmächten, da geht auch ein Urvertrauen, eine Ursicherheit verloren und gerade dann zu sagen: Was trägt mich dann? Und es ist nicht das Haus. Und es ist nicht das Auto, und es ist nicht mein Besitz. Sondern im Letzten anders gehalten zu sein. Da spielt für uns Gott diese tragende Rolle, also dass ER der Anker meines eigenen Lebens ist an dieser Stelle, und das erfahre ich gerade im Angesicht der anderen Menschen, die hier einander helfen und die da sind. Und es ist wirklich berührend, so viel Hilfe zu sehen.

 

Autorin: Was trägt mich? Wenn alles weg ist, was mir Sicherheit gegeben hat.

 

Präses Latzel: Einmal, dass man, glaub ich, für Hoffen immer viele braucht. Und das erleben wir genau jetzt. Also, man hofft nicht alleine, sondern mit anderen. Dass Hoffen immer etwas ist, was Menschen aktiviert. Hoffen ist nichts, was einen passiv macht. Hoffen aber auch immer einschließt, dass wir Gott brauchen. Das eine ist, was wir tun, unser Arbeiten, aber auch das Beten. Dass man spürt: Ich lege dann wieder die Sachen aus meinen eigenen Händen heraus. Hoffen ist eine trotzige Haltung. Ich glaube, das ist jetzt auch gerade sozusagen von unserem evangelischen Glauben, seinen protestantischen Trotz zu haben, meine Widerstandskraft, sich nicht von den Fluten den äußeren Umständen bestimmen zu lassen. Und Hoffnung hat ja immer etwas wider den Augenschein. Es ist kein Optimismus. Optimismus sagt: Es wird schon wieder gut. Hoffnung ist etwas, wo man sagt, auch wenn alles dagegen spricht, trotzdem dafür einzustehen, aus einer anderen Wirklichkeit zu leben und das ist das, was wir gerade brauchen.

 

Autorin: Gegen alle Hoffnungslosigkeit - immer wieder hören und spüren: Viel Kraft. Oder: Ich bin da. Du bist nicht allein. Das hilft. Wenigstens für einen Moment. Und das ist viel.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

10.08.2021
Petra Schulze