Tochter Zion

Morgenandacht
Tochter Zion
12.12.2020 - 06:35
04.12.2020
Peter Oldenbruch
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum nachlesen: 

 

Musik 5: Tochter Zion EG 13

Das klingt wie eine Nationalhymne, fast wie Marschmusik. Auf diese Melodie von Georg Friedrich Händel wurde ein Text gesucht. Diese Arbeit übernahm der 22jährige Student und spätere Theologe Friedrich Heinrich Ranke.

Er dichtete:

Sprecherin:

„Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

Sieh, dein König kommt zu dir, ja er kommt, der Friedefürst.

Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!“

Die Bilder der ersten Strophe stammen vom Propheten Sacharja[1]:

Sprecherin:

„Du, Tochter Zion, freue dich sehr und jauchze!

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer,

arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.

Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem,

und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden.

Denn er wird Frieden gebieten den Völkern.“

Und passt dies zu Händels Hymne? Eigentlich nicht! Auch wenn wohl die meisten Text und Melodie als Einheit empfinden. Vielleicht ist das Lied sogar der Adventsschlager schlechthin. Und das liegt bestimmt an Händels Melodie! Die aber würde eher zu einem Triumphzug passen. Zu einem siegreichen Feldherrn in goldener Kutsche. Das Volk am Straßenrand kreischt: Heil Kaiser dir, Herrscher des Vaterlands. Huldvoll grüßt der Herrscher zurück.

Hinter Tochter Zion jedoch steckt eine andere Szenerie. Da reitet einer auf einem Esel, gänzlich unbewaffnet. So etwas macht kein Herrscher dieser Welt. Der Esel übrigens wurde belohnt. Zum Dank für seinen Dienst, so eine Legende, schenkte Christus dem Esel sein Zeichen: das Kreuz, den so genannten Aalstrich, eigentlich zwei lange schwarze Striche. Der eine zieht sich über den Rücken, der andere im rechten Winkel dazu von einem Vorderbein zum andern. Von oben gesehen: ein Kreuz. Ranke hatte für „Tochter Zion“ noch eine weitere Strophe gedichtet, in der der Esel ausdrücklich vorkommt.

Sprecherin:

„Sieh! er kömmt demüthiglich.

Reitet auf dem Eselein.

Tochter Zion freue dich!

Hol ihn jubelnd zu dir ein.“

Jesus Christus „ist ein Helfer wert und Sanftmütigkeit ist sein Gefährt“. Dabei sind sie gar nicht so sanftmütig, die Esel. Nicht selten bleiben sie einfach stehen und stemmen ihre Hufe in den Boden. Gefahren trotzen Esel durch Stehenbleiben. Auch ihr Geschrei, mit „I Aah“ noch freundlich umschrieben, ist gewöhnungsbedürftig. Jesus scheint die Esel zu mögen. Und dass er auf einem Esel reitet, passt schon! Schließlich will er die Streitwagen vernichten und Frieden gebieten.

Das liegt ganz auf der Linie Jesajas oder Michas. Der Messias werde die Nationen zurechtweisen und sie

Sprecherin:

„werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln.“[2]

„Schwerter zu Pflugscharen!“ Dieser Friedefürst kann gar kein Kriegsheld sein, denn er „will hier seine Macht und Majestät verhüllen, bis er des Vaters Willen im Leiden hat vollbracht.“[3]

 

Georg Friedrich Händel hat seine Melodie ursprünglich für das Oratorium Joshua komponiert. Darin begrüßt das Volk mit unserem Advents-Hit einen siegreich heimkehrenden Helden. Wenig später hat Händel die Melodie wiederverwendet: im Oratorium Judas Maccabeus. Dort ist unser Adventsschlager eine „Ehrung, gleichsam ein musikalischer Triumphbogen, für den Herzog von Cumberland nach dessen Sieg über die Schotten.“[4]

In beiden Fällen sind´s also Kriegshelden, die pompös begrüßt werden. Wenn man so will, ist die Melodie ein musikalisches Schwert. Tochter Zion jedoch besingt einen unbewaffneten Wanderprediger, der die Menschen seligpries, die auf Gewalt verzichten. Und so reitet der Fürst auf eine triumphale Marschmusik „demüthiglich auf einem Eselein“ in die Stadt.

 

Mit seinem Text hat Ranke den Triumphchor von Händel vom Alten ins Neue Testament versetzt.

Die musikalischen Schwerter – sie sind zu Pflugscharen geworden.[5]

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

[1] Sacharja 9,9

[2] Micha 4,3-4

[3] EG 9,3

[4] Joachim Stalmann, a.a.O., 20

[5] a.a.O., 21

 

04.12.2020
Peter Oldenbruch