Umzug

Morgenandacht
Umzug
14.12.2019 - 06:35
18.07.2019
Florian Ihsen
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Die alte Wohnung ist leergeräumt. Staubflusen wehen über das Parkett. Wo Bilder und Lampen waren, sind Löcher in den Decken und Wänden. Abdrücke am Boden verraten: Hier stand bis vor kurzem ein Schrank. Und da, wo der Boden heller ist, lag ein Teppich. Die Vorhänge sind abmontiert. Von der Decke hängt eine letzte Glühbirne.

Das Leben ist in Kartons verpackt. Umzugshelfer tragen sie runter in den Transporter. Schlüssel werden übergeben. Zählerstände abgelesen. Ein letzter Blick zurück: Hier habe ich gelebt. Neun Jahre meines Lebens. Die Tür fällt ins Schloss. Ein letztes Mal gehe ich die Treppe runter.

Umziehen heißt: Das Leben an einem Ort geht zu Ende. Ein neuer Abschnitt beginnt. Und natürlich weiß vorher niemand, wie es wird. Umzug ist eine Krise. Psychologen sprechen sogar von einer Umzugsdepression. Ein Umzug ist für die Seele fast genauso viel Stress wie der Verlust des Partners. Wer umzieht, ist in einer Art Zwischenraum zwischen altem und neuem Leben. Und diesen Zwischenraum auszuhalten ist Stress. Mal mehr, mal weniger spürbar.

Ein Prophetenbuch namens Sacharja kündigt einen besonderen Umzug an.

Ich komme und will bei dir wohnen, spricht Gott (Sach 2,14).

Das hört sich für mich an wie: Weg aus der Ferne, direkt in meine Nähe. Gott zieht um. Das bedeutet Stress. Umzugsstress. Diesmal zieh aber nicht ich um, sondern jemand zieht bei mir ein. Da habe ich mich gerade erst fertig eingerichtet in meiner Wohnung, in meinem Leben. Ich für mich, so, dass es für mich passt. Und jetzt kommt einer dazu? Dann muss ich ja sozusagen Platz machen.

Platz für Gott? Natürlich ist Gott nicht eine Person, wie es meine Freunde und Gäste sind. Die übernachten auf dem Sofa oder der Gästeliege, für Handtücher mache ich im Bad Platz. Platz machen für Gott, dem Herrn den Weg bereiten – wie geht das?

Wenn liebe Gäste zu mir kommen, teile ich mit ihnen das Schöne. Kann das auch für Gott gelten? Ich denke schon. Das Schöne mit Gott teilen – das heißt für mich: öfter Danke sagen: „Gott, ich danke dir für diesen schönen Morgen…“ Ich baue in meinem Tages- und Wochenablauf Rituale ein, um Gott zu danken. Und auch, um ihn zu bitten, für die, mit denen ich zusammenlebe und -arbeite. Für Notleidende. Für all die Menschen und Anliegen, von denen ich jeden Tag in den Nachrichten höre. Platz machen für Gott heißt für mich: mir Zeit nehmen und beten, meditieren, Gottesdienst feiern.

Wenn ich so mit Gott im Gespräch und Gebet bin, über mein Leben und über die Welt, wenn ich Gott so mehr Raum gebe in meinem Leben, dann muss ich auch einiges aussortieren und hergeben, wie überflüssige Möbelstücke, die nur Platz wegnehmen.

Worauf kann ich verzichten? Um Raum zu schaffen für Gott und für meinen Nächsten? Was ich meinem Nächsten tue, das tue ich Gott. Das ist immer beides auf einmal, lese ich im Evangelium. Verzichte ich zugunsten von Menschen, denen es viel schlechter geht als mir, dann ist das ein Gottesdienst. Zum Beispiel für die zu uns Geflüchteten.

Verzicht hat auch eine ökologische Dimension. Über ‚fußabdruck.de‘ habe ich meinen ökologischen Fußabdruck ausgerechnet. Fragen beantwortet zum Wohnen, Essen, Konsum zu Mobilität, Urlaubsreisen. Dabei ist mir deutlich geworden, wie bequem und komfortabel ich lebe. Und wie viel das mit meinen Mitmenschen und Gottes Schöpfung zu tun hat. Platz machen für Gott heißt auch: meinen Mitmenschen ihren Platz lassen, die Erde und unsere Ressourcen nicht ausbeuten.

Advent heißt: Gott zieht zu mir. Bald. Ich kann und ich muss etwas ändern, damit Gott Platz bekommt in meinem Leben. Es ist höchste Zeit. Gott spricht: Ich komme, bald, und will bei dir wohnen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.07.2019
Florian Ihsen