Von neuen und alten Apfelbäumen

Morgenandacht
Von neuen und alten Apfelbäumen
von Christof Lenzen, Gera
08.09.2016 - 06:35
07.09.2016
Pastor Christof Lenzen

„Da haben sie einen halben Berg voll junger Apfelbäume und die müssen dann einfach weg! Ratzekahl abgeholzt und neue gepflanzt! Nur weils nicht mehr passt!“ Empört presst Bernward diese Worte aus seinem Mund. Dabei weiß er so viele herrliche und bunte Geschichten zu erzählen, wie sein gebräuntes und von der Natur gegerbtes Gesicht verspricht. Ich sitze mit meinen Kindern nach einem schwülheißen Tag bei einem Aperol bzw. einem Holundersprudel auf einer Barterrasse mitten im schönsten Südtirol. Und lausche in der Abendfrische den Worten von Bernward, der so bereitwillig jeden Abend einfach stehen bleibt und faszinierend erzählt. Meine Frage war am Anfang eine ganz einfache gewesen: „Warum verschwinden eigentlich die alten Südtiroler Apfelsorten und selbst hier werden Modesorten wie Pink Lady angebaut?“ Die Antwort darauf war lapidar: „Damit die Bauern leben können, die anderen kauft kaum einer!“ Immer schneller ginge das. Da ist ein neuer Modeapfel gepflanzt und wenn er nach ein paar Jahren nicht mehr in Mode ist? Weg damit, abholzen. Ganzen Hängen gehe das so. Immer jünger würden die Pflanzen, keine Bäume mehr. Mühsam müssten die hochgezüchteten Pflänzchen schon mit ein, zwei Jahren schwere Äpfel tragen und profitabel sein. Die oberen Äste festgebunden an Leinen, damit sie nicht unter der zu frühen Last zusammenbrechen. Und die Folge? Entrüstet macht Bernward eine effektvolle Pause. „Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen: Ein Sturm oder Hagelschauer im Sommer und der Hang ist platt. Alles kaputt. „

 

Nachdenklich trinke ich an meinem Aperol. Bernward kommt mit Tischnachbarn ins Gespräch, doch in mir rattert es weiter. Genau das passiert, wenn kein solides Fundament da ist, sondern jedem neuen Trend nachgejagt werden muss: Wechselt der Trend, muss innerlich abgeholzt werden. Wie muss ich dann sein, um anzukommen? Um anerkannt zu sein, erfolgreich? Was ist „dran“? Mir scheint, dass Männer in dieser Beziehung heute fast unsicherer sind als Frauen. Wer bin ich? Was macht mich im Kern aus? Solche Fragen werden mit einem Wust neuer Trends und der Geschäftigkeit des Hinterherjagens vermeintlich beantwortet, aber eigentlich nur erstickt. Dann kommt ein Hagelschauer des „Schicksals“ oder ein Lebenssturm und alles knickt ein. Keine Wurzeln. Keine innere Kraft und Stabilität. Dabei müssen Menschen in der modernen Gesellschaft immer früher funktionieren und Frucht bringen. Mehr Leisten. Mehr hinein kriegen in immer jüngere Köpfe. Doch es fehlen Fundament und Wurzeln...

 

Zwei Bilder, die Jesus schon vor 2000 Jahren benutzt. Damit will er seinen Zuhörern die Wichtigkeit von Stabilität in einem zerbrechlichen Leben verdeutlichen: Ein Haus ohne solides Fundament stürzt ein, wenn der Wind kommt. Eine Pflanze ohne Wurzeln wird weg geweht vom Wind. Und Jesus setzt hinzu: Wer sich ihm und seiner Botschaft anvertraut, der hat Fundament und Wurzeln. Der weiß, dass er bedingungslos geliebt ist, angenommen, wert geschätzt. Das ist die Grundlage, auf der alles andere aufbaut. Diese Grundlage macht das Leben nicht weniger stürmisch, aber sorgt für Stabilität IM stürmischen Leben. Denn halten kann ich mich nicht selbst! Gehalten wird man...

 

Erfahren kann man das im Glauben. Glaube bedeutet ja Vertrauen und ist ein Beziehungsbegriff. Er bewährt sich nicht am grünen Tisch, sondern im Erleben mitten im Sturm: Der Glaube hält mich. Gibt mir Halt. Hilft mir durch. Gott nimmt mir nicht den Sturm, aber er lehrt mich ihn gelassen zu bestehen, ja sogar mitten im Sturm geborgen zu schlafen. Das macht Jesus vor. Erlebt und gestärkt wird dieser Glaube mitten im ganz normalen Leben. Nicht zuerst in der Kirche und im stillen Kämmerlein. Das sind Tankstellen – aber gefahren wird woanders. Mit einem solchen Glauben will Jesus Menschen zu starken Bäumen machen, die es nicht nötig haben, jedem Trend zu folgen und die den nächsten Sturm bestehen.

07.09.2016
Pastor Christof Lenzen