Wie soll ich dich empfangen

Morgenandacht
Wie soll ich dich empfangen
10.12.2020 - 06:35
04.12.2020
Peter Oldenbruch
Sendung zum Nachhören

Die Sendung zum nachlesen: 

 

Musik: Wie soll ich dich empfangen EG 11

Sprecherin:

„Wie soll ich dich empfangen und wie begegn' ich dir?
O aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier!
O Jesu, Jesu, setze mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.“

Wie soll ich dich empfangen! O aller Welt Verlangen! Ein emotionaler Einstieg. Denn so fragen - voller Verlangen! - Braut oder Bräutigam. Darauf spielt Paul Gerhardt an. Denn es geht ihm um Menschen, die nun nicht Jesu Lehre irgendwie interessant finden, es geht ihm um Leute, die lieben, Christus lieben.

Wie soll ich dich empfangen - in diesem gebeutelten Advent 2020? Ganz ohne Weihnachtsmärkte, ohne öffentliches Weihnachtsliedersingen.

Clevere Geschäftsleute haben etwas dagegen erfunden: „Weihnachtstrockenpulver“, „christmas powder“. Preis: immerhin drei Euro. Wenn man´s öffnet, riecht´s nach Nelke und Sternanis, nach Ingwer und Kardamom, nach Koriander, Muskat und Zimt. Aber nicht die Gewürze machen „christmas powder“ so begehrt. Eine geheime Substanz ist im weihnachtlichen Pulver enthalten. Wenn man ein Tütchen davon in einer Tasse heißem Wasser auflöst, geschieht etwas Geheimnisvolles.

Verkauft werden dürfen die Tütchen deshalb auch nur an Erwachsene. „Der Bundesgesundheitsminister: christmas powder kann süchtig machen“. Heißt´s im Kleingedruckten. Das Pulver kann süchtig machen - bereits nach einer Tasse! Denn: Sofort entstehen Weihnachtsgefühle. Weihnachtsgefühle - so bunt gemixt wie die Gewürze im Pulver: Sehnsucht, Hoffnung, Kindheitserinnerungen… Erinnerungen, die längst vergessen schienen. Und: „Christmas-powder“ fördert Sentimentalität und Melancholie, den Stich ins Schmerzliche inklusive. Die Werbung verheißt: „christmas powder – der Gefühlsraum Weihnachten öffnet sich!“.

Nun gut, ich geb´s ja zu: „christmas-powder“ habe ich erfunden. Nein, nicht das Pulver, sondern die Idee, so etwas gäbe es zu kaufen. Nein, instant ist Weihnachten nicht zu haben. Auch die ungeheure Macht der Gefühle, die viele damit verbinden,          stellt sich nicht auf Knopfdruck ein. Und mit dem Brecheisen kann man den Gefühlsraum Weihnachten erst recht nicht öffnen. Wer´s versucht, zerstört, was ersehnt wird.

Sprecherin:

Das schreib dir in dein Herze, du hochbetrübtes Heer,
Bei denen Gram und Schmerze sich häuft je mehr und mehr.
Seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Tür.“

Wie das gehen soll …

Sprecherin:

„Ihr dürft euch nicht bemühen noch sorgen Tag und Nacht,
Wie ihr ihn wollet ziehen mit eures Armes Macht“

„Wenn wir uns nicht bemühen, noch sorgen“, dichtete Paul Gerhard. Keineswegs in weihnachtlicher Idylle, nein: in einem verwüsteten Deutschland wenige Jahre nach dem dreißigjährigen Krieg, der Millionen Menschen das Leben kostete.

Er kommt, „wenn wir uns nicht bemühen“,   wenn wir das Sorgen loslassen und den Mut haben innezuhalten. Das griechische Wort, das die Bibeln mit Geduld übersetzen, meint eigentlich: langen Atem haben. Und den geben wir uns nicht selbst. Wir atmen die Luft, die uns umgibt, und teilen sie mit aller Kreatur. Die Luft ist einfach da. Wie die Zeit. Menschen spüren das, wenn sie - gedankenverloren, absichtslos - Kerzen am Adventskranz entzünden. Oder wenn sie mit Andacht, Lust und Freud ihre Zweiglein der Gottseligkeit aufstecken und den Advent Advent sein lassen.

Schon die Adventskalender, reine Geduldsspiele! 24 Türchen! Wer Türchen vor dem eigentlichen Datum öffnet, macht den Zauber kaputt, das entschleunigende Geduldsspiel funktioniert dann nicht mehr. Auch Adventskränze sind Geduldsspiele. Adventskränze und -kalender üben Geduld ein, eine aktive, erwartungsvolle Geduld. Nicht „Nur-mal-mit-der-Ruhe!“ wird da eingeübt, nicht „Erst-mal-liegen-lassen!“, nein: eine aktive tätige Geduld wird eingeübt. Eine Geduld, die erwartet, dass Christus kommt: in Krippe und Stall.

Und: Er kommt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

04.12.2020
Peter Oldenbruch