Wo kann man den Unsichtbaren aufspüren?

Morgenandacht
Wo kann man den Unsichtbaren aufspüren?
09.04.2015 - 06:35
03.04.2015
Pfarrer i.R. Burkhard Müller

Es ist kein „Tatort“, kein Kriminalfall. Obwohl: eine Leiche ist verschwunden. Bernd möchte wissen, was daraus geworden ist. Er ist seit ein paar Tagen dem Mysterium von Ostern auf der Spur. Das Grab ist wohl leer gewesen. Und obwohl Freunde des Toten verdächtigt werden, den Leichnam gestohlen zu haben, ist es für Bernd kein Kriminalfall. Bernd weiß: ist es eine hoch religiöse Geschichte. Der Tote sei von Gott lebendig gemacht worden, sagen seine Anhänger.

 

Auch für eine religiöse Spurensuche braucht man Beweismittel. Bernd nimmt die Texte im Neuen Testament als solche Beweismittel. Aber sie sind nicht einfach zu deuten. Das sind Rätsel-Texte. Historisch ist ihr Wert gering. Aber in ihnen sind Wahrheiten eingepackt. Wer sie auspacken kann, wird mehr darüber wissen, was aus dem Leichnam geworden ist.

 

Bernd hat in den vergangenen Tagen schon mehrere Beweismittel durchgesehen. Jetzt will er sich das Beweismittel Lukas Nr. 24 ansehen.

 

Da ist von zwei Männern erzählt, die eifrig redend von Jerusalem nach Emmaus gehen. Dort sind sie zuhause.

 

Unterwegs schließt sich ihnen ein Fremder an. Die Beiden erkennen ihn nicht, – obwohl sie ihn sehr gut kennen: Es ist Jesus.

 

Die Zwei sind fest davon überzeugt: Jesus ist hingerichtet und tot. Der Fremde, also Jesus, fragt sie: „Worüber sprecht ihr?“ Da bleiben sie erstaunt stehen. „Weißt du nicht, was in Jerusalem geschehen ist?“ Und sie erzählen ihm alles von Jesu Hinrichtung am Kreuz. Sie sind enttäuscht und traurig: „Wir hatten gehofft, er würde Israel erlösen!“. Und jetzt hätten einige ihrer befreundeten Frauen ganz aufgeregt behauptet: „Der Leichnam ist weg.“ Und sie hätten Engel gesehen, die sagten: Jesus lebt.

 

Jesus, den sie immer noch nicht erkennen, beginnt nun energisch zu reden: Das musste alles so geschehen, mit dem Tod Jesu. Die Propheten hätten in ihrer Bibel das alles schon gesagt. Man muss nur die Bibel richtig verstehen.

 

So reden sie über dieses heilige Buch und wieso es hilft, große religiöse Rätsel zu lösen.

 

Als sie in Emmaus bei ihrem Haus ankommen, laden sie den Fremden ein: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.“ Als sie zusammen das Abendbrot einnehmen, gebraucht die Geschichte die Worte, die manchen vom Abendmahl in den Kirchen bekannt sind: „Jesus nahm das Brot, dankte, brach es und gab es ihnen.“

 

Da, beim Abendbrot, fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen. Jetzt erkennen sie ihn: Jesus. Aber indem sie ihn erkennen, verschwindet er vor ihren Augen.

 

Eine Zaubergeschichte? Wirklich ein Rätsel! Bernd schafft es nicht, den Sinn dieser Legende auszupacken. Also fragt er nach. Und hört als Erklärung:

 

Jesus ist unsichtbar. Aber die Geschichte zeigt die zwei Orte, wo der unsichtbare Christus real gegenwärtig ist: 1. beim Nachdenken und Reden über die Heilige Schrift. Und 2. bei der Feier des Abendmahls, wo der Auferstandene unerkannt mitten unter den Menschen ist.

 

In vielen Städten gibt es Emmauskirchen, in München, in Berlin und Bonn, in Nürnberg und in Köln. Ein sinniger Name für eine Kirche: Denn wer dahin geht, gleicht den Beiden, die damals auf dem Weg nach Emmaus waren: Sie werden Worte der Bibel und der Predigt hören: und die können für sie zu Worten des lebendigen, wenn auch unsichtbaren Christus werden. Sie feiern das Abendmahl, und der lebendige, wenn auch unsichtbare Christus, ist mitten unter ihnen als der Gastgeber, der einlädt.

 

Ob Bernd, der dieser Sache doch auf den Grund gehen will, tatsächlich seine Nachforschungen so weit ausdehnt, dass er sich einmal in einen Gottesdienst in der Emmauskirche seiner Stadt begibt? Mit Sicherheit sieht er Christus dort nicht. Mag sein, er ist irgendwie von dem Mysterium der Anwesenheit des Unsichtbaren vielleicht nicht gerade fasziniert, aber doch so angesprochen, dass er seine Nachforschungen über die Anwesenheit des Auferstandenen im Leben noch weiter treiben wird.

03.04.2015
Pfarrer i.R. Burkhard Müller