25 Jahre Deutsche Einheit

Wort zum Tage
25 Jahre Deutsche Einheit
03.10.2015 - 06:56
25.06.2015
Pfarrerin Johanna Friese

"Es wächst zusammen, was zusammen gehört", so hatte Willy Brandt den Mauerfall kommentiert.[1] Stark, einfach und beruhigend im aufgewühlten Herbst 1989. Die Einheit sollte organisch wachsen. Auch, wenn Brandt dies direkt nach dem Mauerfall auf der Kundgebung am Schöneberger Rathaus gar nicht gesagt hat, sondern am Rande in einem Zeitungsinterview: Seine Worte waren bald in aller Munde und haben sich fest mit der Wiedervereinigung verbunden. Sicher, weil dies viele Menschen berührt hat. Bis heute. "Es wächst zusammen, was zusammen gehört."

 

Wenn etwas zusammen wachsen soll, geht es nicht ohne Geduld und wohl auch nicht ohne Demut.

 

Heute feiern wir 25 Jahre Deutsche Einheit. Wie schauen wir zurück, und in welcher Stimmung nach vorn?

 

Was damals am Brandenburger Tor los war, am 3. Oktober 1990, das große Feuerwerk und die vielen Menschen, die erwartungsvoll in den Himmel blickten, das werde ich nie vergessen.

 

Ich war 14, aus Ostberlin. Wir lagen uns mit Sekt in den Armen in jener Nacht. Meine Großtanten von drüben, die uns jahrelang mit Mandarinen, Schokolade und Kaffee versorgt hatten – jetzt wohnten sie nur einen Stadtteil weiter. Nebenan. Die zusammengehörten, wuchsen wieder zusammen. Ich weiß noch: Die Atmosphäre am Brandenburger Tor mit den vielen Menschen von nah und fern war eine andere als im November 1989. Nicht ganz so ausgelassen, nüchterner, eher die Frage im Kopf: „Was kommt da auf uns zu?“

 

Heute laufe ich mit einer Hamburger Freundin durch Berlin und ich kann ihr kaum noch zeigen, wo denn nun der Osten früher begann, und wo der Westen. Berlin ist international, unfertig und schick. Und die Frage nach einer Ost- oder Westmentalität interessiert mich gar nicht mehr.

 

Vieles ist bis heute zusammengewachsen. Rückblickend war es richtig, damals ein Feuerwerk zu entzünden.

 

Worte aus einem Psalm in der Bibel passen dazu. Der Psalmbeter ruft: „Lobe den Herrn, meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103,2). Dabei hat er sein gutes, langes Leben im Sinn. Die Seele macht uns, dem hebräischen Wortsinn nach, erst lebendig – wie das Atmen. Und nur, wer das Lebendige spürt, kann zusammenwachsen und sich bewegen. Gleichzeitig demütig und geduldig sein. Der Beter ist überzeugt: „Gott ist es, der dich sättigt mit Gutem, solange du bist.“

 

Für mich heißt das: Nicht vergessen, sondern erinnern. Sich an das erinnern, was vorher war. Daran, was wir in 25 Jahren geschafft haben und was uns geschenkt wurde. Und mit Freude in die Zukunft sehen – und das Beste immer erst noch erwarten.

 

[1] http://www.dw.com/de/willy-brandt-es-w%C3%A4chst-zusammen-was-zusammen-geh%C3%B6rt/a-16431107

http://www.willy-brandt.de/informationen-zu-willy-brandt/bedeutende-reden-willy-brandts.html

25.06.2015
Pfarrerin Johanna Friese