Auf der Flucht

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash/ Kyle Glenn

Auf der Flucht
mit Jörg Machel
29.12.2021 - 06:20
15.09.2021
Jörg Machel
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Viele kennen die Fluchtgeschichte ihrer Familie nicht. Es lohnt sich, ihr einmal nachzuforschen. Denn wohl jede Familie ist über irgendeinen Zweig auch Flüchtlingsfamilie. Menschheitsgeschichtlich sind wir auf der Suche nach Nahrung und Sicherheit Getriebene. Das Klima, die Vegetation, die Tierbestände, Konkurrenten auf Nahrungssuche – es gibt viele Gründe, den Standort zu wechseln und nach einem besseren zu suchen.

Mit Ackerbau und Viehzucht wurden die Menschen zwar sesshaft, doch zu einem wirklich sicheren Ort wurde die Erde damit noch nicht für sie. Was gestern noch fruchtbares Land war, wird durch Wassermangel unbewohnbar. Die Bananenplantagen auf La Palma sind seit dem Vulkanausbruch von Lavafeldern überdeckt. Und dort, wo die Natur für günstige Bedingungen sorgt, sind es die politischen oder ökonomischen Verhältnisse, die Menschen aus ihrer Heimat treiben.

Josef und Maria mussten fliehen, weil ihrem Sohn nachgestellt wurde. Für den herrschenden König Herodes war er zu einer Gefahr geworden. Die Eltern verstanden es nicht, wie ihr Kind für einen König zur Gefahr werden konnten, aber sie vertrauten der Warnung und flohen ins Ausland.

Die Fluchtgeschichte der Familie meines Vaters lässt sich zurückverfolgen bis in die Zeit der Hugenottenverfolgung in Frankreich. Zuerst bot Russland unter Katharina der Großen Asyl. Dort schloss man sich den deutschen Protestanten an. Zog mit ihnen weiter ins heutige Polen, um nach dem ersten Weltkrieg für Deutschland zu optieren; und schließlich landete die Familie in der Nähe von Frankfurt an der Oder.  Mütterlicherseits ist die Familie bodenständig, besitzt einen Bauernhof seit vielen Generationen. Kurzzeitig waren auch sie auf der Flucht, als Frankfurt zur Festung erklärt wurde. Da fanden sie Asyl in einem fremden Haus. Als der Krieg verloren war, hatten sie selbst Flüchtlinge zu beherbergen, mussten sich einschränken, bekamen Auflagen. Eine spannungsreiche Zeit. Aber sie wussten immerhin wie das ist, selbst Flüchtling zu sein, Gast sein zu müssen, ohne es sein zu wollen.

Es ist durchaus hilfreich im anderen, im Hilfesuchenden, sich selbst erkennen zu können; das Gefühl zu kennen, wenn man um etwas bitten muss, Hilfe annehmen muss, obwohl man doch viel lieber Helfer sein möchte. Vielleicht sollten wir uns unsere eigenen Fluchtgeschichten erzählen oder von den Alten erzählen lassen. Danach sieht sich manches anders an.

Es gilt das gesprochene Wort.

15.09.2021
Jörg Machel