Allein im Advent - oder wenn die Paradiestür wieder aufgeht

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash/ MARIOLA GROBELSKA

Allein im Advent - oder wenn die Paradiestür wieder aufgeht
mit Christina-Maria Bammel
16.12.2021 - 06:20
15.09.2021
Christina-Maria Bammel
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Gerade die Adventszeit fordert manche doppelt und dreifach heraus. Ich denke an Singles, die das mehr oder minder ungewollt sind. Allein zu sein oder tatsächlich in Einsamkeit zu versinken, das bedeutet in dieser Zeit noch etwas anders als zu anderen Zeiten des Jahres. Es wird schwerer. Der Autor Daniel Schreiber, Mitte vierzig, hat ein bemerkenswertes Buch über das Alleinsein geschrieben („Allein“). Was für eine Arbeit es macht, allein zu leben. Im Blick auf den Dezember spricht Schreiber davon, dass dann die „saisonale Einsamkeit“ kommt. Er nennt sie „das Symptom einer Zeit, in der es nicht gelingt, mir das bewusstzumachen, was ich mir sonst bewusstmache: dass ich vielleicht kein konventionell gutes, aber ein erfülltes, ein spannendes Leben führe.“   Sobald „die ersten Weihnachtsbeleuchtungen auf den Straßen zu sehen sind“, komme es zu einer psychischen Dynamik, „der man sich nur schwer entziehen kann. Instinktiv hat man das Gefühl, sich durch eine Welt zu bewegen, die anderen Menschen gehört, den Liebenden, den Müttern und Vätern, den Großeltern.“ Was sonst im Jahr erträglich und annehmbar ist, wird im Advent schwieriger. Jetzt könnte man sich hineinarbeiten in Optimismus, Pläne schmieden für jeden Tag, eine lange Liste zu den wichtigsten To-Dos erstellen. Aber Schreiber will weder diesen schnell überfordernden Optimismus noch irgendeinen Aktionismus suchen. Denn von beidem fürchtet er die Nebenwirkungen. Wie einen roten Faden legt er zwischen die Zeilen und Gedanken etwas anderes: eine Gartenlandschaft. Es ist die Vorstellung des Gartens als Kindheitsanker, als Trostraum und Sehnsuchtsort. In die Advents- und Weihnachtstage ist viel von solcher Sehnsucht nach dem Garten, dem Paradies eingeschrieben. In allem Klingeln, Leuchtenlassen und Schmücken liegen solche Momente der Sehnsucht nach einem umhegten, friedlich-freundlichen Ort, nach dem Paradies. Es beschwört eine Welt im Einklang – innen wie außen. Als ob ein unbekannter Gärtner oder eine unbekannte Gärtnerin dafür sorgen würde – verborgen und geheimnisvoll. Das Paradies ist ein Garten von unsterblicher Hand geschaffen für die Sterblichen. Wir sterblichen Geschöpfe sind die mit der Sehnsucht nach diesem ursprünglichen ersten Garten, nach dem Zusammenklang mit allem, was lebt. Solche Sehnsucht kleistert keine „saisonale Einsamkeit“ und auch keinen tiefsitzenden Schmerz darum zu. Im Garten aber war Beziehung, von Anfang an. Zwischen Gott und Geschöpf, zwischen Mensch und Mensch. Das Bild tragen wir in uns. Es kann gut tun, im saisonalen Seufzen diesen Garten in uns nicht zu vergessen, sondern ihn aufleuchten und blühen zu sehen, wie es das eigene Herz möglich macht.

Es gilt das gesprochene Wort.

15.09.2021
Christina-Maria Bammel