Berühmte letzte Worte

Wort zum Tage
Berühmte letzte Worte
03.11.2020 - 06:20
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„Mehr Licht!“. Oder auch; „Entweder geht jetzt diese scheußliche Tapete - oder ich.“ Berühmte letzte Worte sind zu einer eigenen Gattung geworden. Ob sie tatsächlich so gesagt worden sind? Goethe, der Dichterfürst, hat den Wunsch nach mehr Licht vielleicht gar nicht philosophisch, sondern eher praktisch gemeint. Es gibt jedenfalls auch eine Überlieferung, in der er einfach nur darum bat, auch noch den zweiten Fensterladen zu öffnen. Den Satz mit der Tapete soll Oscar Wilde gesagt haben, passend zu seinem Ruf als Dandy. Wer berühmt ist, spricht oft auch berühmte letzte Worte.

Oder denkt zumindest im Moment seines Todes daran, dass sie angebracht wären. So wie der mexikanische Freiheitskämpfer Pancho Villa. „Lassen sie es nicht so enden. Sagen Sie, dass ich etwas gesagt hätte“, bat er einen zufällig Anwesenden, als er bei einem Attentat tödlich verletzt wurde.

Beim Aufschreiben der Geschichte Jesu spürten auch die biblischen Autoren diesen Druck. Sehr bekannt sind die letzten Worte Jesu im Matthäusevangelium geworden: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker. Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Berühmte letzte Worte, in der Geschichte der christlichen Kirchen häufig falsch interpretiert. Die christliche Mission und handfeste wirtschaftliche und politische Interessen haben sich fast immer vermischt. Weil Menschen meinten, sich auf diese Worte berufen zu können, ist Unrecht geschehen und vielen Menschen Leid angetan worden. „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ - mir, sagt Jesus, immer noch mir und nicht euch. Wer sich auf diese Worte berufen will, muss sich fragen lassen, ob das, was er tut, im Geist Jesu geschieht. Im Blick auf die Geschichte der Mission fällt mir die Antwort auf diese Frage nicht schwer.

Schwieriger wird es bei den gegenwärtigen politischen Herausforderungen. Heute wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Dass ein Kandidat schon in den vergangenen vier Jahren offenbar geglaubt hat, ihm sei alle Gewalt auf Erden gegeben, empört mich. Vor allem auch, dass ihn viele konservative Christen darin unterstützen. Und ich erinnere mich einmal mehr an die berühmten letzten Worte Jesu.

 

Es gilt das gesprochene Wort.