Bilder des Lebens

Wort zum Tage
Bilder des Lebens
02.08.2017 - 06:20
31.07.2017
Pfarrer Florian Ihsen

Von der Hochzeit meiner Eltern in den Siebziger Jahren gibt es genau zwei Bilder, beide mit demselben Motiv: Das jung vermählte Paar steht mit den Hochzeitsgästen vor der Kirche, aufgeregt und glücklich. Diese zwei Bilder haben einen besonderen Wert für mich. Weil es eben nur diese zwei gibt.

 

Das ist heute kaum mehr vorstellbar. Fast jeder hat ein Handy mit Kamera. An einem ganz normalen Arbeitstag mache ich viel mehr Fotos, als es bei der Hochzeit meiner Eltern gab. Ich schick täglich Bilder an andere und freu mich, wenn ich auch Fotos bekomme: über whatsapp, facebook oder andere Kanäle: Aha, die Freundin sitzt gerade im Cafe dort. Und dieser Freund ist im Urlaub in Italien, toll, das Meer, der Olivenhain, die Pizzeria am Hafen. Und wieder ein anderer macht Party in Berlin. Man sieht: Der hat richtig Spaß. Ganz schön mutig, diese Bilder zu posten.

 

Täglich neue Bilder, von mir und von anderen. Immer wieder heißt es: Speicherplatz voll. Ich muss aussortieren und löschen.

 

Meine Großmutter klebte die schönsten und wichtigsten Bilder und Zeitungsausschnitte in Alben. Ich habe heute elektronische Alben und Bilder, die als Favoriten gespeichert sind.

 

Meine Großmutter konnte noch zu fast jeder Person auf den Bildern Geschichten erzählen.

 

Bei den von mir gesammelten Bildern ist das nicht so. Von manchen, mit denen ich vor ein paar Jahren ausgelassen gefeiert habe, weiß ich heute die Namen gar nicht mehr. Klar, ich kann das übers Netz leicht rauskriegen, wer wer ist. Aber spontan erzählen kann ich es nicht. Immer mehr werden das Netz und mein Smartphone mein Speicher, mein Gedächtnis.

 

Viel in unserer Erinnerungskultur hat sich verändert. Das ist weder einfach schlecht noch einfach gut. Es ist normal. Kultur entwickelt und verändert sich. Neues kommt hinzu, bisher Bewährtes tritt zurück.

 

Christlicher Glaube ist Gedächtniskultur in Wort und Bild. Wir denken an Menschen, die wir gar nicht gekannt haben. Aber ihr Leben und Glauben können für uns bedeutsam sein. Abraham, Paulus, Käthe und Martin Luther, Dietrich Bonhoeffer, Frère Roger. Ihr Glaube ist gespeichert in der christlichen Tradition, deren Mitte die Bibel ist.

 

Von einem besonderen Speicher erzählt die Bibel bildhaft. Es gibt ein wichtiges Album: Das Buch des Lebens, in dem die Tage eines Menschenlebens aufgehoben sind. Die Bilder und Geschichten, an die ich gerne denke. Aber auch die vergessenen oder verdrängten Bilder und Geschichten. Alles ist aufgehoben und bleibt liebevoll bewahrt. Eine Theologin sagte einmal: Gott ist Gedächtnis.

31.07.2017
Pfarrer Florian Ihsen