Bloß nicht stumm bleiben

Wort zum Tage
Bloß nicht stumm bleiben
12.04.2016 - 06:23
11.01.2016
Pfarrer Michael Becker

Er ist Anfang vierzig, als sein Kreuzweg beginnt. Erst stirbt ein Bruder, nur wenige Tage später stirbt seine Ehefrau. Beide zu jung zum Sterben. Nur fünf Jahre dauerte

die Ehe. Jetzt ist er alleine mit seinen Kindern. Ein schwerer Weg war das für Herbert Grönemeyer. Er ist ihn gegangen, musste ihn gehen. Vieles muss man, auch wenn man es nicht will. Heute wird Grönemeyer sechzig Jahre alt. Meinen Glückwunsch. Neu verliebt ist er auch. Wie gut, Der Kreuzweg ist vorbei.

 

Aber dennoch: Wie schafft man das? Wie geht man einen Kreuzweg? Das ist die Frage aller Fragen. Glück schaffen wir meist ganz gut. Manche klopfen sich gar auf die Schulter und meinen, sie hätten ihr Glück selber gemacht. Ein Irrtum, denke ich. Glück wird auch gegeben. Wie Schmerz und Leid über uns kommen. Das Leben ist nicht fair, sagt Grönemeyer. Aber wie lebt man damit? Es gibt kein Rezept für Tapferkeit. Vielen hilft Reden, Erzählen. Bloß nicht stumm bleiben. Bloß nicht alles mit sich ausmachen. Reden und weinen, das hilft ein wenig. Gott Vorwürfe machen hilft auch. Was will er von mir? Was hat Gott mit mir vor? Das alles muss ’raus und soll nicht in mir wühlen. Verschlucktes  und Verdrängtes wird nur schlimmer. Um Hilfe bitten, wenn’s schwer wird, hilft mehr. Die Nachbarn fragen, die Freunde; Gott selbstverständlich. Die sollen  möglichst helfen, sich kümmern. Sollen mir ein bisschen von ihrer Zeit und ihrer Geduld schenken.

 

Und immer wieder: Erzählen. Sich selber, der Familie, den Freunden und Gott. Auch an Gräbern kann man reden. Ich bin gewiss: Verstorbene hören da zu, wo sie jetzt sind. Wer nicht verzweifeln will, darf nicht verstummen. Braucht etwas Tapferkeit. Ein schönes Wort: tapfer sein. Es ist keine Antwort auf schwere Fragen. Aber eine Haltung. Ich will möglichst aufrecht bleiben, darf nicht nur weinen; ich will noch ein wenig für mein Leben und meine Lieben sorgen. Für heute, dann für morgen, ein Schritt nach dem anderen. Ich will auch die Hände falten, ganz fest. Jesus will das, tapfer sein. Nicht im Dunklen bleiben, sondern noch tätig sein, für andere sorgen, beten. Das macht Grönemeyer, der früh Witwer geworden ist. Danke, singt er, danke, dass es Euch gab. Wir bleiben verbunden. Das hoffe ich.

11.01.2016
Pfarrer Michael Becker