Boot

Wort zum Tage
Boot
13.05.2015 - 06:23
30.03.2015
Pastorin Anja Neu-Illg

Eines Nachts hatte ich einen Traum: Wir stiegen in ein Boot. Es war von vornherein viel zu klein für uns alle. Ich weiß nicht, wie viele sich in das Boot drängten. Ich kannte auch nicht alle. Das andere Ufer war nicht weit, sagte man uns. Eine Nacht, vielleicht zwei. So legten wir ab. Im Dunkeln auf die weite See. Ein milder Abend. Gott war mit an Bord. Er war sehr müde. Er schlief ziemlich schnell ein. Alles hatten wir hinter uns gelassen. Familien, Freunde, Eltern, Berufe, Häuser, ... .

 

Vor uns die Hoffnung auf ein neues Leben. Ein Leben in Frieden. Ein Leben in Sicherheit. Das war alles, was wir wollten. Der erste Tag auf See verlief ruhig. Nur die Sonne machte uns zu schaffen. Wir fanden wenig Schatten. Wer einen Platz im Schatten hatte, blieb dort. Man konnte sich ohnehin kaum bewegen. Die Nächte wurden furchtbar kalt. Es sollten insgesamt fünf Nächte werden. In der vierten Nacht wurde der Wind stärker, Sturm, Orkan. Die Wellen kamen uns riesig vor. Nicht wie am Strand. Wie auf hoher See. Das Boot wurde hin und her geschlagen. Als wollten die Wellen uns begraben. Jemand stürzte über Bord. Wir konnten ihn nicht zurückholen. Mussten zusehen, wie er ertrank. Ich wurde furchtbar seekrank und musste mich ständig übergeben.

 

Als das Unwetter nicht nachließ, drang Wasser in das Boot ein. Von unten. Von oben. Regen peitschte auf das Deck. Wasser, wie aus riesigen Kübeln stürzte in das Boot. Wir hatten aber nur einen winzigen Eimer, um das Boot leerzuschöpfen. Wir schöpften und schöpften. Reihum. Aber es half nichts. Das Boot lief voll. Noch immer war kein Land in Sicht. Als schließlich noch die Ruder brachen, dachten wir, wir sterben jetzt.

 

Da kam jemand auf die Idee, Gott zu wecken, der noch immer im hinteren Teil des Bootes schlief. Jemand stieß ihn kurz an: Gott, wach auf. Wach auf. Wir gehen unter. Das Boot ist zu voll und die Wassermassen ziehen uns auf den Meeresgrund! Aber Gott schlief. Noch einmal: Gott, wach auf! Es ist kein Land in Sicht. Wir werden diesen Sturm nicht überleben! Gott rührte sich nicht. Drei von uns setzten sich zusammen. Wir beratschlagten, wie wir Gott endlich wecken könnten. Er durfte uns jetzt nicht im Stich lassen. Er sollte wenigstens mithelfen, das Boot leer zu schöpfen. Wir klammerten uns an der Reling fest und rutschten auf dem Deck hinüber zum schlafenden Gott. Zu dritt riefen wir dreimal: Gott, wach auf, wir gehen unter! Stört es dich nicht, dass wir hier umkommen? Willst du denn gar nichts tun, um uns zu retten?

 

Gott erwachte. Er öffnete die Augen. Sah mich an und antwortete: Das wollte ich dich auch gerade fragen. Ich wurde wach. Es kamen die Nachrichten.

30.03.2015
Pastorin Anja Neu-Illg