Coventry

Wort zum Tage
Coventry
Wort zum Tage von Pfarrerin Kathrin Oxen
30.08.2019 - 06:20
08.08.2019
Kathrin Oxen
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Freitags kurz vor ein Uhr mittags. In der Gedenkhalle im Alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche herrscht Kommen und Gehen. Touristen aus der ganzen Welt sehen die Ausstellung zur Geschichte der Kirche, kaufen Postkarten oder zünden eine Kerze an. Ich überwinde mich ein bisschen, hole einmal tief Luft und lade dann, so laut es eben geht und auf Deutsch und Englisch zum Friedensgebet ein. Die wichtigste Information für die Touristen ist, dass es nur fünf  Minuten dauert – denn meistens ist ihre Zeit knapp. Aber jeden Freitag lassen sich Menschen ansprechen, mal sind es zehn, mal vierzig. Gemeinsam bilden wir einen Halbkreis um das Nagelkreuz von Coventry und beten dann das Versöhnungsgebet, das ebenfalls von dort stammt.

Die Geschichte der Kathedrale von Coventry und die Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche ähnelt sich. Beide Kirchen wurden im Zweiten Weltkrieg von Bombenangriffen fast völlig zerstört. Im November 1940 in Coventry waren es deutsche, im November 1943 in Berlin britische Bomber. In England und in Deutschland sind jeweils Teile der alten Kirche als Ruine erhalten geblieben. Neue, architektonisch besondere Kirchen wurden daneben gebaut. Schon kurz nach der Zerstörung ließ der damalige Domprobst Richard Howard in Coventry die Worte „Vater vergib“ an der Wand der ausgebrannten Ruine anbringen.

Zum Symbol wurde das Nagelkreuz aus den Nägeln der verbrannten Dachbalken der Kathedrale. In der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft sind Kirchen und Gemeinden weltweit miteinander verbunden und engagieren sich für Frieden und Versöhnung. Jeden Freitag beten sie an den verschiedenen Orten das Versöhnungsgebet aus Coventry. „Vater vergib“ ist der Kehrvers dieses Gebets.

Ich mag dieses Gebet am Freitagmittag sehr. Eine Art Flashmob für Frieden und Versöhnung. Plötzlich stehen Menschen, die aus verschiedenen Ländern der Welt kommen, nebeneinander und beten für den Frieden. Die meisten kommen ja nur ein einziges Mal. Aber wir sind verbunden im gemeinsamen Gebet. Den Krieg und was er angerichtet hat, haben wir vor Augen, auch in Gestalt der beschädigten Christusstatue aus weißem Marmor, die am Altar der alten Gedächtniskirche stand und die nun ihren Platz in der Gedenkhalle hat. Der Wunsch nach Frieden verbindet uns. In einem Moment des Friedens, den viele mit nach Hause nehmen können.

Es gilt das gesprochene Wort!

08.08.2019
Kathrin Oxen