Der Lebenstraum mit Abstrichen

Wort zum Tage
Der Lebenstraum mit Abstrichen
07.11.2017 - 06:20
01.11.2017
Pfarrerin Johanna Friese
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„Es ist wichtig, aus dem Leben einen Traum und aus einem Traum Realität zu machen“. (zit. n. Barbara Goldsmith, Marie Curie, Die erste Frau der Wissenschaft, Piper Verlag München/Berlin 2016 (4), 11)

 

Marie Curie Sklodowska und ihr Mann Pierre, vom dem das berühmte Zitat wahrscheinlich stammt, taten das. Sie lebten vor mehr als 100 Jahren ihren Traum. Sie träumten von neuen wissenschaftlichen Entdeckungen. Dafür bauten sie mit viel Phantasie neue Messgeräte. Etwa eine Vakuumkammer aus Sperrholz, aus der sie die Luft mit einer Handpumpe zogen. Damit untersuchten sie Draht, Holz, Kristalle, Glas und anderes. Tag für Tag saßen sie in ihrem einfachen Labor in Paris und schrieben jedes neue Messergebnis akribisch in ihre Notizbücher. Von der monotonen Arbeit standen sie erst auf, wenn ihnen der Rücken schmerzte. Eines Tages entdeckten sie nach Polonium auch Radium. Jenes Element mit der schönen Farbe, das bald die Welt erobern sollte. Ihre größte Entdeckung war jedoch eine neue Methode, um Radioaktivität zu messen.

 

Von sich selbst sagte Marie Curie einmal: „Wenn von allem, was ich um mich wahrnehme, irgendetwas lebenskräftig ist, so ist es eben dieser Geist des Abenteuers, der unausrottbar scheint und sich mit Neugier verbindet.“ (a.a.O, 231). Maries Lebenstraum war es, diesem Geist des Abenteuers nachzuspüren und unermüdlich weiter zu experimentieren. Dafür hat sie gemeinsam mit ihrem Mann als erste Frau den Nobelpreis in Physik und später in Chemie erhalten. Obwohl beide fast besessen waren, mochten sie die tiefe Ruhe beim Arbeiten. Wenn sie eine Prozedur überwachten, gingen sie stundenlang auf und ab. Wurde ihnen kalt, tranken sie in der Ofenecke des Labors eine Tasse Tee. Sie lebten zusammen ihren Traum. Nun ist ein Lebenstraum nicht unbedingt zugleich ein traumhaftes Leben.

 

Auch das spürten die Curies. Große Skepsis unter Wissenschaftskollegen, wenig Geld, und für ihre beiden Töchter nahmen sie sich kaum Zeit. Ratschläge von Freunden, sich auch mal eine Atempause zu gönnen, ignorierten sie. Und sogar ihre Gesundheit gefährdeten beide, wenn sie mit radioaktiven Atomen arbeiteten. Über den frühen Unfalltod ihres Mannes kam Marie Curie nicht hinweg. Und schon von klein auf machte ihr immer wieder die Melancholie zu schaffen.

 

Unvergessen ist bis heute die Hingabe bei allem, was sie tat. Zumal als Frau in einer Zeit, in der für Frauen keine Karrieren vorgesehen waren, sondern die braven Rollen an der Seite ihrer Ehemänner. Ob das Leben von Marie Curie ein Traum war? Sicher mit Abstrichen. Aber, dass Träume zum Leben da sind und zum Nachjagen sogar, das hat sie nicht nur den Frauen ihrer Zeit gezeigt. Dafür gehörte ihr heute an ihrem 150. Geburtstag ein Blumenstrauß geschenkt.

01.11.2017
Pfarrerin Johanna Friese