Der offene Himmel

Wort zum Tage
Der offene Himmel
02.10.2015 - 06:23
25.06.2015
Pfarrerin Johanna Friese

Lacht, tanzt und feiert mit euren Kindern und erzählt Hoffnungsgeschichten. So etwa könnte man beschreiben, was beim Laubhüttenfest mit dem hebräischen Namen Sukkoth passiert. Eines der fröhlichsten jüdischen Feste – auch in dieser Woche wieder. Ursprünglich ein Erntefest. Traditionell danken die Juden Gott für die Ernte und bitten um Regen – und Quellwasser. Früher gehörte das Ritual dazu, Wasser zu schöpfen. In Jerusalem ging man vom Siloahteich zum Tempel. Bei der Bitte um ein segenreiches Jahr schütteten die Priester Wasser auf den Altar. Noch heute erinnern sich Juden daran und singen: „Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils.“[1]

 

Und sie erinnern sich an die Wüstenzeiten in ihrer langen Geschichte. Zum Zeichen bauen sie draußen an jeder Ecke Laubhütten. Aus Ästen und Stoffen, bunt geschmückt. Mit einem großen Tisch in der Mitte und Stühlen für Gäste. Ganz wichtig: Der Himmel muss zu sehen sein.

 

Und dann sitzen die Familien dort, sie singen und essen in diesen provisorischen Laubhütten unter einem offenen Himmel. Sie wissen, hier auf Erden ist alles vergänglich; Gott allein trägt durch dürre Wüstenzeiten hindurch. Wie damals beim Auszug aus Ägypten hin zum Gelobten Land, aus der Knechtschaft in die Freiheit. Und bis heute ist das ein Zeichen: Verlasse dein warmes Haus für sieben Tage, den Ort, wo du sicher bist. Und setze dich aus: dem Wind und den Launen des Wetters. Merke, wie heilvoll das Leben ist und komme wieder näher heran an Gott. Dazu gehört es, die Nachbarn und Freunde zum Laubhüttenfest einzuladen.

 

Immer, wenn ich dort zu Gast war, teilten wir viel mehr als nur das Essen. Auch, wenn unsere Muttersprache und Traditionen verschieden sind. Wir teilten die Hoffnung und die Freude. Den Glauben, einen gnädigen Gott zu haben, wenngleich das kommende Heilsein noch aussteht. Christen wie Juden leben zwischen Schon und Noch nicht.

 

Deshalb habe ich mich nie fremd gefühlt in einer Laubhütte.

 

Auch mein Glaube ruft mich in Zelte, reißt mich manchmal heraus aus der Sicherheit und macht mir Mut, immer mal wieder neu aufzubrechen.

 

Selbstverständlich kannte Jesus das Laubhüttenfest, und ich lese in der Bibel von ihm: „Am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (Johannes 7,37) Für mich heißt das: Wer einsieht, dass ihm etwas fehlt, empfängt etwas von Gott. Und das hilft dem Durstigen selbst zur Quelle zu werden. Für andere.

 

[1] Jesaja 12,3, vgl. Israel M. Lau, Wie Juden leben, Glaube, Alltag, Feste, Gütersloh 2005 (6).

25.06.2015
Pfarrerin Johanna Friese