Die Türpfostenkapsel

Wort zum Tage
Die Türpfostenkapsel
17.04.2015 - 06:23
30.03.2015
Pastor i.R. Dietrich Heyde

Von einem König wird erzählt, dass er einmal einem jüdischen Weisen eine Perle von unschätzbarem Wert schickte mit der Bitte: „Schicke du mir etwas Kostbares, was jener Perle gleichkommt.“ Daraufhin sandte ihm der Weisheitslehrer eine Türpfostenkapsel, eine Mesusa, die an der Außentür jedes jüdischen Hauses befestigt ist und das Grundbekenntnis Israels enthält: „Höre, Israel, der Ewige ist unser Gott allein. Und du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.“ (5. Mose 6,4)

   Als der König die Türpfostenkapsel erhielt, war er bitter enttäuscht und sagte:

   „Was ich dir gesandt habe, ist so kostbar, dass es dafür keinen Preis gibt. Du aber hast mir etwas geschickt, was nicht mehr als eine kleine Münze kostet.“

   Darauf erklärt der jüdische Weise:

   „Deine Kostbarkeit und meine Kostbarkeit gleichen einander nicht. Du hast mir etwas gesandt, worauf ich aufpassen und was ich hüten muss. Ich aber schickte dir etwas, was dich behütet, auch wenn du schläfst, und dich bewahrt im Leben und im Tod. Denn es heißt: ‚Bei deinem Gehen wird Gottes Wort dich leiten, bei deinem Liegen über dir Wache halten’.“ (Sprüche 6,22)[1]

 

Deutlich wird, was es mit der Kostbarkeit des biblischen Wortes auf sich hat. Scheint es nach Weltmaßstäben so gut wie wertlos – nach himmlischem Wertmaßstab ist es von unschätzbarem Wert. Nach einem Spruch im Buch der Weisheit gleicht Gottes Wort „einem Baum des Lebens“, der denen, die seine Frucht genießen, stets neue Kraft zuführt. Und allen, die Sein Wort ergreifen und an ihm festhalten, verleiht es Frieden und Seligkeit.“ (Sprüche 3,18)

   Schätze von der Art der Perle dagegen rauben uns die Kräfte und den sorgenfreien Schlaf. Sie machen viel innere und äußere Unruhe, weil sie uns ständig einflüstern, wir müssten uns um sie kümmern und für ihre Erhaltung sorgen und sie vermehren.  

   Wer darum die Früchte vom Baum des Wortes zu pflücken und zu ernten versteht, der sorgt sich nicht um den morgigen Tag. Er weiß, dass „seine Zeit in Gottes Händen steht“ (Psalm 31,16). Von Ihm empfängt er jeden Tag als kostbares Geschenk. Er fühlt sich beflügelt und lebt ganz im Heute.   

 

[1] M. Braunschweiger, Die Lehrer der Mischna, Verlag Morascha Basel/Zürich 1993, S. 295 f

30.03.2015
Pastor i.R. Dietrich Heyde