Die Tugend der Freundlichkeit

Wort zum Tage
Die Tugend der Freundlichkeit
08.05.2019 - 06:20
28.02.2019
Autor des Textes: Diederich Lüken
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Im Supermarkt, an der Kasse. Langsam rückt die Schlange nach vorn. Endlich bin ich der Nächste. Dabei mache ich eine Entdeckung, die mich bestürzt. Der Kunde vor mir zückt, während seine Waren durch die Hände der Kassiererin gehen, sein Smartphone und fängt an zu telefonieren. Noch beim Bezahlen würdigt er die Kassiererin keines Blickes, sondern nestelt eifrig telefonierend sein Portemonnaie aus der Tasche, gibt einen Schein und kassiert das Wechselgeld. Ich weiß nicht, warum der Kunde beim Bezahlen das Handy nicht aus der Hand geben konnte. Aber ich versuche, mich an die Stelle der Kassiererin zu versetzen. Was mag sie gedacht und gefühlt haben? Sie muss sich vorgekommen sein wie eine Maschine, die auf Knopfdruck zu funktionieren hat, und nicht wie ein Mensch mit Verstand und Gefühl. Und ein anderes ist mir klargeworden: Was der Kunde dort tat, war ein Akt äußerster Unfreundlichkeit. Unverzeihlich. Denn jeder Mensch hat das Recht, von dem anderen, mit dem man zu tun hat, wenigstens wahrgenommen zu werden. Und wer seinerseits mit anderen Menschen zu tun hat, hat eine Verpflichtung, sie als Menschen wahrzunehmen und entsprechend mit ihnen umzugehen. Wohl jeder Mensch braucht es, dass man ihn anschaut, dass man mit ihm Augenkontakt aufnimmt und ihn vielleicht sogar anlächelt. Es gehört zu seiner Würde. Nun ist die Würde des Menschen zwar unantastbar, wie der Artikel eins des Grundgesetzes ausführt, und jeder will auch in seiner Würde wahrgenommen und anerkannt werden. Aber im alltäglichen Einerlei ist es manchmal nicht so einfach, diese Anerkenntnis zu realisieren. Ärger, der manchmal sogar berechtigt ist, macht es einem schwer. Noch schwerer macht es die Gleichgültigkeit, die einem manchmal entgegenschlägt Jedoch kostet es oft nur ein Lächeln, eine kleine freundliche Geste, um eine verfahrene zwischenmenschliche Situation zu entkrampfen. Das ist die Kraft der Freundlichkeit. Ein noch tiefergehender Grund für die Freundlichkeit ist es, dass jeder Mensch als ein Ebenbild Gottes angesehen werden kann. Dann enthält jeder Kontakt mit einem Menschen die Chance, darin Gott zu begegnen. Etwas von seiner Größe und seinem Glanz im Gesicht des Menschen zu sehen, der neben mir ist. In der Bibel wird die Freundlichkeit so hoch geschätzt, dass sie sogar Gott selbst zugesprochen wird. „Denn der Herr ist freundlich und seine Gnade währet ewig!“ heißt es einem Psalm (Psalm 100,5). Er ist freundlich und gnädig auch dann noch, wenn wir unfreundlich sind, und er gibt die Gnade, dass sich unser unfreundliches Verhalten wandelt und wir unseren Mitmenschen freundlich begegnen. Wir haben damit Anteil an der Freundlichkeit Gottes. Und geben ihr unsere Gestalt.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

28.02.2019
Autor des Textes: Diederich Lüken